Schon mehr als 3300 Mitglieder des Spendenparlaments unterstützen Projekte. Dirk Bleese gehörte von Anfang an dazu.
Hamburg. "Höchstes Glück ist doch zu spenden, denen, die es schwerer haben. Und beschwingt, mit frohen Händen, auzustreun die schönen Gaben" - hat der Lyriker Bertolt Brecht einst vom Glück des Gebens geschrieben. Passender könnte ein Vers diese Institution nicht beschreiben, die das bündelt, was Dirk Bleese als "altes Erbe der Hanseaten" beschreibt: den Willen, anderen zu helfen. Vor 16 Jahren entstand aus diesem Bürgerengagement das Hamburger Spendenparlament , ein Zusammenschluss von Menschen, die nicht länger wegsehen wollen, sondern anpacken, dort, wo die Not am größten ist. Das taten sie auch bei ihrer Sitzung am Mittwochabend
Jeder, der in diesem demokratischen Kreis der Nächstenliebe mitmachen will, muss fünf Euro im Monat bezahlen. Manche zahlen mehr. Dafür erhält jeder ein Stimmrecht und dreimal im Jahr die Möglichkeit, darüber zu entscheiden, welche sozialen Projekte in Hamburg gefördert werden sollen. 3372 Mitglieder sitzen derzeit im Spendenparlament. In den vergangenen 16 Jahren stimmten sie über 892 Projekte ab, die mit 7,7 Millionen Euro gefördert wurden. Es sind Zahlen, die Dirk Bleese nicht ohne Stolz in den Mund nimmt. Er ist einer von denen, die von der ersten Stunde an dabei sind. Ein stattlicher Mann mit dichten grauen Haaren und Lachfältchen um die Augen. Einer, der die Welt gesehen und "immer auf der Sonnenseite des Lebens gestanden hat", wie er sagt.
+++ Mehr Förderung für das Ehrenamt +++
+++ Wer kriegt Hilfe? +++
+++ Spendenparlament vergibt 182.000 Euro an 17 Projekte +++
Richtig angekommen ist er aber erst im Februar 1996. Als er zum ersten Mal mit dem Spendenparlament zusammentrat und in der Auseinandersetzung mit den Themen Obdachlosigkeit, Armut und Isolation begann, das eigene Leben zu spiegeln. Zu sehen, wie gut es ihm eigentlich geht - und wie viel Not es in dieser Stadt gibt. Zu erfahren, wie wichtig es ist, nicht zur hinzuschauen, sondern auch zu handeln. Und wie glücklich es macht, anderen zu helfen. Seitdem sitzt der heute 74-Jährige im Parlament, zwölf Jahre sogar als Vorsitzender dieses gemeinnützigen Vereins. Seit 2010 wirkt er im Öffentlichkeitsausschuss mit. Viele Stunden im Monat verbringt er dort ehrenamtlich. Er hat Menschen kennengelernt, die ganz am Rande der Gesellschaft standen. Menschen, die nichts mehr hatten außer das Stückchen Straßenpflaster, auf dem sie ihr nächtliches Lager aufbauten. Und er hat Menschen getroffen, die ihre Zeit, Kraft und Energie für eben diese eingesetzt haben. Ohne zu fragen, was es bringt. Erfüllt davon, anderen zu helfen.
Diese zu unterstützen ist das Ziel des Spendenparlaments. Wenn die Mitglieder des Parlaments im alten Hörsaal des Universitätsgebäudes an der Edmund-Siemers-Allee 1 zusammenkommen, geht es um große Summen. Rund 600 000 Euro werden pro Jahr verteilt. Während anfänglich größtenteils Projekte für Obdachlose unterstützt wurden, fließt das Geld inzwischen vermehrt in Initiativen für Kinder und Jugendliche. Dirk Bleese weiß, dass 600 000 Euro viel Geld ist. Er sagt aber auch, dass diese Summe nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein kann. Also wirbt er beständig um neue Mitglieder für das Parlament, um Spenden, die so dringend gebraucht werden. Er, der sein Berufsleben lang auf der Macherseite stand, als Systemberater für den Informationstechnik-Konzern IBM gearbeitet hat, setzt seine Managerqualitäten nun für die gemeinsame Sache ein. Er besucht Unternehmen, hält Vorträge an der Uni und versucht Netzwerke zu knüpfen. Er gibt viel Zeit und Engagement. Und er bekommt viel zurück. "Ich habe in dieser Zeit viele neue spannende Persönlichkeiten kennenlernen dürfen", sagt er. Menschen wie den ehemaligen Wirtschaftssenator Helmuth Kern, der dem Spendenparlament viele Jahre als Schatzmeister treue Dienste leistete. Oder Werner Schimming, ehemaliges Vorstandsmitglied der Axa, der heute die Finanzen im Parlament betreut. Er hat Bürgermeistern und Senatoren die Hände geschüttelt und viel Anerkennung erfahren für Hamburgs Vorzeigeprojekt bürgerlicher Selbsthilfe, dessen Gründer der ehemalige Landespastor Stephan Reimers ist. Der damalige Leiter des diakonischen Werks, der bereits 1993 die Gründung des Straßenmagazins "Hinz & Kunzt" initiiert hatte, griff das Gefühl auf, das in den 90er-Jahren viele Hamburger umtrieb: das große Ungleichgewicht zwischen dem Reichtum und der Armut in dieser Stadt. 7000 Obdachlose lebten damals in den Parks und auf den Straßen. Nach dem Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe" entstand die Idee, eine Anlaufstelle zu schaffen, bei der Projekte schnell und unbürokratisch Geld erhalten können.
"Eines der ersten Projekte, die wir gefördert haben, waren die Kirchenkaten", erinnert sich Dirk Bleese. "Hier können sich Obdachlose für ein paar Monate ein eigenes Heim schaffen. Sie haben dann einen Ausgangspunkt, um wieder in der Gesellschaft Fuß zu fassen." Andere Projekte sind eine rollende Zahnarztpraxis für Obdachlose und der Verein "Hände für Kinder", der eine Kurzzeitunterbringung für schwerstbehinderte Kinder im ehemaligen Kupferhof in Wohldorf-Ohlstedt realisiert. Gerade erst hat das Parlament 100 000 Euro dafür bewilligt.
Dirk Bleese hat den Vorstandsvorsitzenden des Vereins, Steffen Schumann, kennengelernt, als der vor dem Parlament vom Neuen Kupferhof berichtet hat. Die Schilderung seines Lebens mit einem schwerstbehinderten Sohn, der nicht alleine atmen, nicht sprechen, sich nicht bewegen kann, der rund um die Uhr betreut werden muss, hat den Spendenparlamentarier sehr bewegt. Er war froh, etwas tun zu können. Indem er einfach nur im Plenum saß und die Hand gehoben hat.