Hamburger Flughafen sucht nun händeringend Ersatz. Wirtschaftsenator Frank Horch ist zuversichtlich: Hamburg ist ein wichtiges Drehkreuz im Norden.

Hamburg. Hamburgs Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler ist vermutlich aus allen Wolken gefallen: Er muss jetzt Ersatz für rund 4000 Air-Berlin-Flüge im Winterflugplan finden. Die Lufthansa hatte bereits angekündigt, die Lücke im Hamburger Flugverkehr nicht schließen zu wollen: "Die Lufthansa behält die derzeitige Flughöhe in Hamburg bei", so Sprecher Wolfgang Weber zu abendblatt.de. Es seien keine zusätzlichen Strecken und Frequenzen, aber auch keine Streckenstreichungen für Hansestadt geplant. Findet Eggenschwiler keinen Ersatz für die gestrichenen Flüge, muss er mit jährlich 500.000 Passagieren weniger rechnen.

Hintergrund der Turbulenzen im Luftraum des Hamburg Airport sind die Pläne von Air Berlin, zum Winterflugplan das Angebot ab Hamburg von 220 auf 182 pro Woche zu reduzieren. Betroffen sind Verbindungen nach Zürich, Barcelona, Nürnberg und Karlsruhe/Baden-Baden. Bereits im Juni hatte Air Berlin die Strecke nach Köln gestrichen, bestätigte der Flughafen auf Abendblatt-Anfrage.

„Wir stellen uns effizienter auf und optimieren fortlaufend unser Angebot“, teilte Vertriebschef Paul Gregorowitsch am Dienstag in Berlin mit. Er machte besonders die Luftverkehrssteuer für die Einschnitte verantwortlich. „Diese außerordentliche Belastung trifft nicht mehr nur die Regionalflughäfen, sondern mittlerweile auch größere Standorte.“ Insgesamt soll die Kapazität bei Air Berlin im Oktober um zwei Prozent verglichen mit dem Winterflugplan 2011/2012 reduziert werden. Auch die Verbindungen Stuttgart-Mailand, Sylt-Köln und Berlin-Münster werden gekappt.

Der Hamburg Airport habe einen Einstellungsstopp verhängt, dies sei eine Vorsichtsmaßnahme, so Flughafen-Sprecherin Stefanie Harder, "bis wir mehr Sicherheit über die Konsolidierungsphase von Air Berlin haben." Das heißt: Weil angesichts der roten Zahlen der Airline und dem Sparkurs, den Air-Berlin Hartmut Mehdorn der Fluggesellschaft verordnet hat, nicht ausgeschlossen werden kann, dass weitere Strecken gestrichen werden, bleibt man in Fuhlsbüttel vorsichtig.

Für manche in Rede stehenden Verbindungen könnte es schon bald Ersatz geben: "Für Karlsruhe/Baden-Baden sind wir bereits in Gesprächen mit einer anderen Airline", so Stefanie Harder. Da Nürnberg auch von Lufthansa bedient werde, gebe es auch dort "kein Loch im Streckennetz". Nach Zürich gebe es täglich derzeit neun Verbindungen, "wenn die drei von Air Berlin wegfallen, könnte man sogar zunächst von Marktbereinigung sprechen".

Auch für Barcelona könnte es Ersatz geben. In die attraktive spanische Metropole am Mittelmeer reisten 2011 von Hamburg aus rund 100 000 Passagiere. Dort hat auch der spanische Niedrigpreisanbieter Vueling eine Basis und könnte möglicherweise an einem Streckenausbau nach Nordeuropa interessiert sein. Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) zweifelt indes nicht an einer Ersatzlösung: „Hamburg ist ein wichtiges Drehkreuz im Norden, das auch für andere Fluggesellschaften einiges zu bieten hat. Und das wird auch so bleiben.“

Die Lufthansa machte dagegen deutlich, dass sie "in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld nicht den Anlass zu risikobehafteten Streckenplanungen sehe." Hohe Kerosinpreise, Emissionshandel, die Luftverkehrssteuer, aber auch hohe Flughafengebühren wirkten sich belastend aus. Der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg sieht dagegen gute Chancen für Hamburger Passagiere, die Ziele Zürich und Barcelona direkt ab Hamburg erreichen zu können: "Beides sind absolute Klassiker im Airline-Bereich, über eine Lücke, die sich dort auftut, werden sich Mitbewerber freuen." Neue Zürich-Verbindungen durch Swiss sowie weitere Frequenzen nach Barcelona durch die neue spanische Airline Vueling seien denkbar, so Schellenberg, Vizepräsent des Luftfahrt-Presse-Clubs Hamburg. Immerhin sei Air Berlin so nett gewesen und hätte schon mit Vorlaufzeit von mehreren Monaten seine Pläne kundgetan, so dass der Flughafen nun über Alternativen mit neuen Anbietern verhandeln könne. Als Grund für die aktuellen Streichungen nennt der Luftfahrt-Experte vor allem die Auswirkungen der Luftverkehrssteuer: Mit Ausnahme der Rückflüge von Zürich und Barcelona mache sich auf allen betroffenen Strecken die Abgabe von derzeit 7,50 Euro pro Passagier bemerkbar, in Deutschland "plus 19 Prozent Mehrwertsteuer". Der Marktanteil von Air Berlin habe sich in der Vergangenheit auf 30 Prozent gesteigert, nun sinke er auf 20 Prozent.

Air Berlin hatte Ende 2011 die arabische Etihad als größten Einzelaktionär an Bord genommen. Den Arabern gehören 29,2 Prozent der stark defizitären Airline, die unter ihrem früheren Eigner Joachim Hunold erklärtermaßen der Lufthansa Konkurrenz machen wollte. Zuletzt ist Air Berlin jedoch immer wieder wegen seiner hohen Verluste in die Schlagzeilen geraten.

+++Air Berlin schreibt Rekordverlust - Mehdorn bleibt bis Ende 2013+++

Air Berlin-Gründer Hunold hatte die Air-Berlin-Leitung im August 2011 an den ehemaligen Bahn-Chef Hartmut Mehdorn übergeben. Dieser hat angekündigt, 2012 mindestens 40 Millionen Euro jährlich zu sparen. Ob dies angesichts einer Schuldenlast, die Mitte 2011 bei 616 Millionen Euro lag, genügt, wird sich zeigen.

(sta/dpa)