Für Schleswig-Holsteins Regierung ist Kieler Stadtbahn wichtiger als S-Bahn von Hamburg in die Metropolregion. Das Geld reicht nicht für beides.
Kiel. Das wichtigste Bahnprojekt in der Metropolregion, der Bau der S-Bahn-Linie 4 von Hamburg über Ahrensburg nach Bad Oldesloe, steht unter keinem guten Stern. Zuerst bremste Hamburg über Jahre das Vorhaben aus, weil die Grünen der Hansestadt lieber eine Stadtbahn bauen wollten. Jetzt gibt es Gegenwind aus Schleswig-Holstein, weil die neue Regierung auf Druck der Landes-Grünen eine StadtRegionalBahn (SRB) in Kiel einrichten möchte. Finanzieren lässt sich allenfalls eines der beiden Vorhaben.
"Im Koalitionsvertrag stehen sehr viele interessante Projekte, die finanziert werden müssen", beschreibt Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) das Problem. "Es wird deshalb einen Wettbewerb zwischen den Projekten geben." Im Topf ist dabei neben der SRB und der S 4 eine weitere Großmaßnahme, der Ausbau der AKN-Strecke Hamburg-Kaltenkirchen zur S 21. Deutlicher wird der Verkehrsexperte der Grünen, Andreas Tietze. Er bestätigt dem Abendblatt, dass es nach der Reaktivierung der Stadtbahnpläne in Schleswig-Holstein mehr Bahnprojekte als Geld gebe. In der Koalitionsrunde mit SPD und SSW, der Partei der dänischen Minderheit, habe man daher auch darüber gesprochen, welche Vorhaben zuerst umgesetzt werden könnten. "Wir haben in der Priorität die SRB und die S 21."
+++ Metropolbahn hat Priorität +++
+++ StadtRegionalBahn +++
+++ S-Bahn 4 +++
Auf der Strecke bliebe damit vorerst die S-Bahn-Linie 4. Im Südosten Schleswig-Holsteins gibt es ersten Protest. "Wenn die Kieler Regierung die S 4 kippen möchte, soll sie das offen sagen", fordert Stormarns Landrat Klaus Plöger (SPD) im Gespräch mit dem Abendblatt. "Das wäre dann allerdings eine Kampfansage an Stormarn, Lübeck und Hamburg." Schützenhilfe bekommt Plöger von der FDP im Kieler Landtag. Fraktionschef Wolfgang Kubicki, der die SRB als "Bimmelbahn" verspottet hat, will die knappen Mittel lieber für "dringendere und sinnvollere" Projekte wie die S 4 einsetzen. "Das würde zu einer deutlichen, tatsächlich auch benötigten Entlastung der Pendlerströme im Hamburger Umland führen."
In Hamburg selbst mag man an eine Kurswende in Kiel noch nicht so recht glauben. "Die Planungen für die S 4 laufen auf Hochtouren", meint der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Ole Thorben Buschhüter, der seit Jahren für das Projekt kämpft. Der Verkehrsexperte erinnert daran, dass durch die S 4 der Hamburger Hauptbahnhof entlastet werde und davon auch Schleswig-Holstein profitieren könne. Im Hauptbahnhof wäre dann Platz für die Marschenbahn nach Sylt, die bisher meist von Altona abfährt. Konkurrenzlos ist das S-4-Projekt aber auch in Hamburg nicht. Die Stadt will die im Bau befindliche U-Bahn-Linie 4 verlängern und den Busverkehr beschleunigen.
Im Kieler Landeshaus gilt es derweil als Treppenwitz der Bahngeschichte, dass ausgerechnet die Grünen erst in Hamburg und dann in Schleswig-Holstein ein Bahnprojekt torpedieren, das Pendlerverkehre von der Straße auf die Schiene bringen soll. Gestellt wurden die Weichen gegen die S 4 bereits in der Koalitionsrunde. Tietze stritt so erfolgreich für die StadtRegionalBahn, dass die Dänen-Ampel künftig 25 Prozent (bisher 15) der Kernkosten des Projekts übernimmt. Zudem verpflichtet sich das Land, zusammen mit der Stadt Kiel und den Umlandkreisen einen Weg zu suchen, um den Betrieb der Stadtbahn zu bezahlen. Sie wird nach allen Prognosen Millionendefizite einfahren.
Tietze verteidigt seinen Stadtbahn-Coup damit, dass die Dänen-Ampel auf seinen Vorschlag insgesamt mehr Geld für Bahnprojekte zur Verfügung hat. Der Trick: Das Land, das jährlich vom Bund gut 43 Millionen Euro für kommunale Verkehrsvorhaben erhält (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz), soll davon künftig 70 Prozent in die Schiene stecken und nur noch 30 in den Straßenbau. Bisher war es andersherum. Durch die Änderung des Verteilungsschlüssels liegen für Bahnprojekte bis 2017 bis zu 151 der insgesamt 216 Millionen Euro bereit. Der Haken: Allein für die Kieler StadtRegionalBahn sind davon 66,5 Millionen Euro (bisher 46 Millionen) reserviert. Tietze findet das gerecht, weil bisher vor allem Maßnahmen im Hamburger Rand berücksichtigt wurden. Kritik aus dem Umland weist er zurück: "Futterneid ist nicht angebracht."
Klar ist, dass die Baumittel vorerst nur für ein S-Bahn-Projekt im Umland reichen dürften und die S 21 die Nase vorn hat. Der Ausbau der Strecke zwischen Hamburg-Eidelstedt und Kaltenkirchen ist fast abgeschlossen, die Elektrifizierung (50 Millionen Euro) ebenso geplant wie der Kauf von Zügen (weitere 50 Millionen).
Bei der S 4 läuft seit März die Vorentwurfsplanung, aus denen sich das wichtige Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) des 348-Millionen-Projekts ergibt. Das Ergebnis soll im Frühjahr 2013 vorliegen und die Grundlage sein, auf der Hamburg und Schleswig-Holstein die Finanzierungsgespräche mit dem Bund führen. Die StadtRegionalBahn ist einige Planschritte weiter, hat den Bundeszuschuss (60 Prozent der Kernkosten) bereits in der Tasche und kann mit einem NKV von 1,9 einen guten Wert vorweisen. Im Landeshaus wird davon ausgegangen, dass der S 4 nur eine Chance bleibt: Sollte sie beim NKV-Wert die Stadtbahn deutlich abhängen, kämen die Grünen in Kiel unter Druck und die wichtige Umland-S-Bahn möglicherweise doch noch zum Zug.