Greta Blunck liebt den täglichen Flirt mit Krummstock und Spielball. 26-mal lief die Winterhuderin für die Nationalmannschaft auf.
Hamburg. Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, die Besonderes für diese Stadt leisten, die in Hamburg als Vorbilder gelten. Folge 48: Hockeylegende Greta Blunck. Sie bekam den roten Faden von Klaus Püschel.
Erst vor wenigen Tagen hatte sie wieder mal ein Shooting für eine Modelagentur. Noch nichts weiter gehört bisher, aber eine gute Erfahrung, findet die Frau mit dem weißen Haarknoten und ansteckenden Lachen. Greta Blunck wurde bereits einmal gebucht, von einer Best-Ager-Agentur, die Frauen und Männer "im besten Alter ab 45" sucht und für Werbefilme besetzt. Vor 20 Jahren drehte sie einen Fernseh-Werbespot für Waschmittel. Die heute 74-Jährige galt eben schon damals als Frau im besten Alter. "Mir geht es ja gar nicht so darum, was hinterher herauskommt, ich liebe einfach die Castingsituation, wenn ich mich in eine Rolle hineinversetzen muss. Einmal musste ich Pantomime machen und mir vorstellen, ich würde im Altersheim mit einer Freundin Bridge spielen", sagt sie.
Blunck ist jedoch kein hauptberufliches Model, sie ist Großmutter, waschechte Hamburgerin, leidenschaftliche Winterhuderin und dazu ein Genie am Krummstock: die Grande Dame des Hockeysports. Mit ihrem Verein, dem Harvestehuder Tennis- und Hockey-Club, kurz HTHC, wurde Blunck gleich neunmal deutscher Meister, 26-mal lief sie für die deutsche Nationalmannschaft auf, gewann 1974 mit den Damen ihres Heimatvereins den Feld-Europapokal der Landesmeister, coachte als Bundestrainerin und Trainerin im Klub. 1975 war sie die erste Frau, die den Trainerschein machte. Eine Vorreiterin.
Greta Blunck gestikuliert mit den Händen. Mit lauter Stimme erzählt sie - vielmehr sprudelt es aus ihr hervor - woher die Liebe kommt, mit ihrem Körper etwas darzustellen. Sich körperlich zu ertüchtigen, wie es damals noch hieß. Der Grundstein für ihr sportliches Leben wurde jedoch nicht beim Training auf dem grünen Kunstrasen gelegt. Es waren die Stunden in der Ballettschule der berühmten Hamburger Tanzpädagogin Lola Rogge, die sie infizierten. Port de bras, vierte Position - mit den Armen zeigt sie die jeweiligen klassischen Haltungen. Den Rücken hält sie dabei gerade, die Schultern nach unten gezogen. "Meine Leidenschaft geht eindeutig vom Ballett aus", sagt sie und trommelt mit den Fingern auf der Tischplatte. Zum Gespräch hat sie in ihr Zuhause in der Willistraße geladen, auf dem großen runden Familientisch stehen Tee und Kaffee, zwei kleine Kerzen brennen, es gibt rosafarbene und weiße Schokolinsen. "Es war meine ältere Schwester, die mich zum Tanzen gebracht hat", sagt sie, "ich bin ein Kriegskind und durch meine drei älteren Geschwister sehr geprägt worden. Das Pädagogische habe ich von meiner anderen Schwester, die Lehrerin war, mitbekommen." So erklärt sie ihre Fähigkeit, fast lebenslang den eigenen beiden Kindern - Christian "Büdi", Hockey-Europameister und Olympiasieger von 1992, und Beatrice "Bissi" - und Hunderten von kleinen Hockeyschülern etwas vermittelt zu haben. Es geht ihr nicht nur um Taktik. Auch um Werte wie Disziplin, Fairness, Würde und "alles, was man zu der Sportart dazubekommt".
Bis heute unterrichtet sie täglich im Klub und teilweise an Schulen in sozialen Brennpunkten, am Wochenende steht sie bis zu neun Stunden bei Punktspielen am Spielfeldrand. "Training zu geben ist für mich ein Verdienst. Es fordert mich heraus, auch mal zu überlegen, wie ich untalentierten Kindern etwas beibringe. Mit Talentierten zu arbeiten, das kann jeder." Sie lacht herzlich, wie so oft. Und verbreitet gute Laune, Lebenslust. "Gott sei Dank habe ich immer was zu lachen!" Ihr fröhliches Naturell ist ihr Motor. Unermüdlich lehrt sie die jüngeren Generationen, gibt ihre Lebens- und Hockeyerfahrungen weiter.
Und bleibt auch damit ihrer Vorreiterrolle treu. Rente? Nee. "Hauptsache gesund, solange ich weiter Sport machen kann, bin ich glücklich", sagt sie.
Sport, Hockey im HTHC, hat für Greta Blunck einen extrem hohen Stellenwert. Was nicht nur aus der Begeisterung für die körperliche Ertüchtigung kommt. Da ist mehr. Der Klub, ihre Mannschaft bedeutet Familie, Zusammenhalt, Rückhalt. Und dessen bedurfte Greta Blunck. Zu früh verlor sie 1975 ihren Mann und die Kinder ihren Vater. Büdi und Bissi waren gerade einmal neun und sieben Jahre alt. Das Foto von Dieter "Kuschi" Blunck steht gerahmt im Wohnzimmerregal, neben zeitgenössischen Familienfotos und Bildern ihrer Eltern und des russischen Großvaters. "Der war Dermatologe beim Zaren", sagt sie. Nicht ohne Stolz. Doch zurück zu Kuschi, dem einzigen Ehemann in ihrem Leben. Kennengelernt hat sie ihn - in einem Fernsehfilm wäre das jetzt kitschig und zu viel des Guten - auf dem Hockeyplatz. Beim HTHC. Aber so war es eben. Die freche Greta wurde von ihrem Vater, einem Assekuranzmakler, dorthin geschickt. Die junge Dame sollte Hockey und Tennis lernen. "Ich war auch nicht schlecht im Tennis, aber ich habe schon öfter den Schläger auf den Platz geschmissen, grauenhaft, wenn was nicht geklappt hat. Hockey, der Mannschaftssport war besser für mich, mit Mitspielern, die an mich glauben", sagt sie. Wichtig war ihr damals allerdings auch die Optik. Die aufrechte Haltung hatte sie durch den Ballettunterricht verinnerlicht. Gewissenhaft probte Greta daraufhin, bevor sie Richtung HTHC ihr Elternhaus in der Isestraße verließ, im verspiegelten Treppenhaus ihre optische Strahlkraft beim Aufschlag.
"Man musste ja auch gut aussehen und eine Wirkung haben", sagt sie und lächelt schelmisch. Vor allem auf einen einzelnen Herrn. Kuschi, den zehn Jahre älteren Sohn des Klub-Präsidenten. "Mein späterer Mann war eine Figur", sagt sie. Glücklich heirateten die beiden, sie war damals 25 Jahre alt und durch die neuen Familienbande sofort fester Bestandteil der Hamburger Hockeywelt. "Die Grundlage dafür schafften die 50er- und 60er-Jahre mit meinem Mann. Da war das alles noch anders, es gab ein tolles Miteinander." Nicht lediglich unter den Spielern und Spielerinnen, sondern auch mit Schiedsrichtern und Reportern. "Die waren alle hier bei uns zu Hause, wir haben zusammen gegessen, ich habe gekocht", sagt Blunck. Sogar einer der weltbesten Hockeyspieler, der Pakistaner Shahbaz Ahmed, wohnte für einige Monate bei ihnen im Haus, als er in Hamburg war. Familienanschluss eben. Klar, das habe sich alles verändert. Doch man spürt, dass sie die Zeit genossen hat. Und dass die meinungsstarke Frau es immer noch genießt und zelebriert, Teil einer Gemeinschaft zu sein. "Es stimmt, ich liebe es, jeden immer grüßen zu können und zu klönen. Manche machen schon extra einen Bogen um mich, weil sie wissen, dass ich sie dann wieder zum Hockey bekehren will." Mittlerweile trainiert sie die dritte Generation. Viele winken ihr nicht zu, sondern begrüßen sie von Weitem so, als holten sie mit dem Schläger zum Schuss aus. Da freut sie sich besonders. "Denn manchmal weiß ich gar nicht, woher ich den kenne, und dann ist alles klar." Schließlich wird man aber jeden Kontakt Greta Bluncks in irgendeiner Weise mit dem Sport verknüpfen können. Nicht umsonst wird sie liebevoll mit "Grande Dame" tituliert. Sie ist Aushängeschild für Hamburgs Hockeygeschichte. Und sie erfüllt damit eine außergewöhnliche Rolle. Greta Blunck ist auch keine, die nur mitläuft. Sie ist immer Vorreiterin: sportlich, als Frau, als alleinerziehende Mutter. "Ich bin eine Quotenfrau und fange immer bei Stunde null an", sagt sie. So war sie ehrenamtlich von 1987 bis 1999 im Vorstand der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM), die bis 2007 die Landesmedienanstalt des Bundeslandes Hamburg und unter anderem für die Zulassung privater Hörfunk- und Fernsehprogramme sowie nicht kommerzieller Lokalsender zuständig war. Warum das? "Ich wurde eben gefragt", sagt sie, garniert ihr Schulterzucken mit einem Lächeln. So lief das eben immer bei ihr. Sie wurde gefragt, ob sie nicht bitte Kapitänin, Trainerin, Leaderin sein wolle, ob sie nicht bitte beim Schultheater die Hauptrolle übernehmen könne, für die Klasse sprechen könne. "Ja, diese Mittelpunktgeschichte. Man wird auch dazu gemacht", findet sie. Blunck hat die Freude daran gefunden, sich für andere starkzumachen. Das hänge auch mit der pädagogischen Linie zusammen, die sie von ihrer älteren Schwester mitbekommen habe. Die, die Lehrerin wurde und immer mit ihr Schulaufgaben gemacht hatte.
Allein fühle sie sich deshalb wohl nie. Immer ist Programm, das ganze Leben schon. Nur in ihrem privatesten Bereich blieb die Sportskanone allein. Nachdem ihr Mann verstorben war, heiratete sie nicht wieder. Sie will und wollte unabhängig und eigenständig sein. Doch war sie nie wieder verliebt? "Vielleicht doch mal. Aber das waren dann nicht die Richtigen." Außerdem: "Ich halte das so: Jeden Tag ein Flirt mit dem Ball - der dreht sich so, wie ich es will." Und auch damit ist Greta Blunck eines ganz sicher: Vorreiterin.
Greta Blunck reicht den roten Faden nächste Woche an den Fernsehmoderator Herbert Schalthoff von Hamburg 1 weiter. Sie schätzt an Schalthoff, dass er "seit Sendebeginn im Jahr 1995 dem Sender treu geblieben ist und Hamburg 1 mit seiner Sendung 'Schalthoff live' ein Profil gegeben hat".