Noch immer werden die meisten Protestanten als Kinder getauft. Doch die Zahl derjenigen, die sich wie das biblische Vorbild von Jesus als Erwachsene taufen lassen, wächst. Dabei spielt auch Sehnsucht eine Rolle.

Stade. Bis heute ist die Kindertaufe in den großen christlichen Kirchen vorherrschende Praxis. Doch bei Olga Häfner war das anders. „Vielleicht, weil meine Oma in der baptistischen Kirche ist, die ja nur Erwachsene tauft“, vermutet die 22-Jährige. Ganz ohne Taufe, da hat ihr etwas gefehlt. Deshalb hat sie sich mit anderen Frauen und Männern bei Pastor Volker Dieterich-Domröse im niedersächsischen Stade zu einem Crashkurs „Christlicher Glaube“ angemeldet. Krönender Abschluss war die Taufe – als bewusste Entscheidung für Kirche und Gemeinde.

Dieterich-Domröse hat den Kurs schon mehrfach in der evangelischen Markusgemeinde in Stade bei Hamburg angeboten. Doch diesmal stand er in einem besonderen Zusammenhang, denn die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) feiert 2011 das „Jahr der Taufe“. An vier Abenden hat der Pastor mit zehn Männern und Frauen über das Evangelium und den Gottesdienst gesprochen, über Jesus Christus und die eigenen Lebenswege nachgedacht.

„Ich mache mir über meine Zukunft Gedanken, deshalb habe ich mich zu dem Kurs und zu der Taufe entschlossen“, bekräftigt Olga Häfner. Da geht es für sie beispielsweise um den „schönsten Tag im Leben“: „Wenn ich heirate, ziehe ich das vernünftig auf – nicht nur mit einem Ja-Wort vor dem Standesamt, sondern in der Kirche.“

Vergangenes Jahr wurden allein in der hannoverschen Landeskirche 1950 „Religionsmündige“ getauft, wie es in der Statistik heißt. Bundesweit waren es nach Angaben der EKD etwa 20.000, die älter waren als 14 Jahre. Besonders in den neuen Bundesländern gehen viele Frauen und Männer diesen Schritt, weil sie erst im Erwachsenenalter zum Glauben gefunden haben.

So wächst schon seit Jahren die Zahl der jungen Menschen und Erwachsenen, die Mitglied in einer Gemeinde werden wollen. Seit Beginn der 60er-Jahre stieg ihr Anteil an den evangelischen Taufen von einem auf acht Prozent. Nach wie vor sprechen sich allerdings mit fast 80 Prozent die meisten Protestanten grundsätzlich für die Säuglings- oder Kleinkindertaufe aus.

Das war nicht immer so. „Bestes Beispiel ist Jesus selbst, der sich als Erwachsener im Jordan taufen ließ“, verweist Volker Dieterich-Domröse auf das biblische Vorbild. Lange blieb die Taufe vor allem ein Angebot für Erwachsene. Eine Reihe evangelischer Gemeinschaften und Kirchen lehnt die Kindertaufe sogar strikt ab - bis heute. Unter ihnen sind die Baptisten, die nur „mündige“ Christen taufen.

Auch Marc Sass fühlt sich nach dem Kurs in Stade als mündiges Gemeindemitglied. Den Anstoß für die Teilnahme an dem Kurs gab sein bester Freund, der ihn gerne als Pate für ein Neugeborenes einsetzen wollte. „Das geht aber nur, wenn ich getauft bin“, sagt der 25-Jährige, der von einem „Aha“-Erlebnis im Kurs berichtet. „Mein Eindruck war früher immer: Kirche ist langweilig. Die gehen aber mit der Zeit.“ Ein Beispiel dafür ist für ihn die Musik im Taufgottesdienst selbst. „Keine langweilige Orgel, sondern ein Saxofon. Das war cool.“

„Die Taufe, das ist die Zusicherung Gottes, dass er immer an unserer Seite steht“, bringt es Dieterich-Domröse auf den Punkt. Und beschreibt damit auch eine Sehnsucht, die manchen in den Kurs bringt. „Das ist etwas, was mir niemand nehmen kann und was mich mutig und selbstbewusst macht“, betont der Theologe. Viele Teilnehmer haben nach seiner Überzeugung erfahren, was für Kinder genauso wie für Erwachsene gilt: Die Zuwendung Gottes kennt keine Altersgrenze.