Der Weihnachtsmarkt auf dem Rathausmarkt wird exklusiv vom Weingut Anselmann beliefert. Zu Besuch in den Kellern des Unternehmens.
Edesheim. Schummriges Licht und hoch aufgetürmte Barriquefässer, die nach Eichenholz und säuerlich-gärenden Trauben riechen. Die perfekte Kulisse für das Foto mit dem Geschäftsführer eines Traditionsweinguts, dessen Geschichte bis in das Jahr 1541 zurückreicht. Urig sieht es aus im Weinkeller, in dem Gerd Anselmann für das Bild posiert. Im Alltag ist der Keller jedoch nicht die typische Arbeitsumgebung des 51-Jährigen. Nur eine Tür trennt den traditionellen vom technisch hochgerüsteten Weinkeller der Gegenwart. Statt Holzfässern sind dort riesige Edelstahltanks dicht an dicht in riesigen Hallen aufgereiht.
Verschiedene Apparaturen geben Auskunft über die Eigenschaften des gärenden Traubensafts. Längst hat die industrielle Produktion die althergebrachte Art der Weinherstellung abgelöst - zumindest was die Menge angeht. Aber auf Kosten der Qualität? "Was in einem Stahltank reift, ist definitiv nicht schlechter als Wein aus einem Eichenholzfass", sagt Gerd Anselmann und streicht über die silberne Wand des Behälters, der doppelt so hoch ist wie er selbst. Auf Reinheit und Qualität legen er und sein Bruder Ralf besonders viel Wert, erzählt er. Gemischt wird nicht. Aromastoffe? Keine Chance. Nur zur Wintersaison, da dürfen ein wenig Zucker, Nelken-, Zimt- und Orangenaroma zu bestimmten Weinen in die großen Tanks gefüllt werden. Dann ist auf dem Gut Anselmann Zeit für die Glühweinproduktion, ohne die die Tassen auf dem Hamburger Weihnachtsmarkt ziemlich leer aussehen würden.
Seit 2007 beliefern die Winzer aus Edesheim an der südlichen Weinstraße den "Historischen Weihnachtsmarkt Hamburg" auf dem Rathausmarkt mit ihrem Glühwein. Was dort in die Becher kommt, stammt zu 100 Prozent aus der Pfalz. "Nichts Gepanschtes, kein Fusel", wie Gerd Vogt, Projektleiter des Marktes, betont. Einfach war es für den Veranstalter Roncalli nicht, einen geeigneten Lieferanten zu finden. Einen, der zuverlässig qualitativ guten Glühwein in großen Mengen nach Hamburg liefern kann. "Durch Zufall probierte ich vor Jahren den Glühwein der Anselmanns - und war sofort überzeugt. Jetzt arbeiten wir bereits seit Jahren erfolgreich zusammen", sagt Vogt.
Mehr als 20 000 Liter des Getränks werden seitdem Jahr für Jahr in großen Kunststoffkanistern auf Lastwagen die rund 650 Kilometer in die Hansestadt transportiert. Täglich versorgt Roncalli die Gastronomen mit frischem Glühwein aus dem Lager, der vor Ort von Durchlauferhitzern auf die richtige Temperatur gebracht wird. Erst dann kann er das weihnachtliche Aroma dank seiner geheimen Spezialrezeptur entfalten, die extra für die Hamburger entwickelt wurde. Und das, obwohl das Weingut in der Pfalz kein traditioneller Glühwein-Spezialist ist. Erst seit 20 Jahren wird das klassische Wintergetränk im Familienunternehmen hergestellt - im Hinblick auf die lange Gutsgeschichte kein kurzer Zeitraum.
Der Weihnachtsmarkt
Neuer Weihnachtsmarkt an der Großen Bergstraße
"Eigentlich sind wir gar nicht selbst auf die Idee gekommen, Glühwein zu produzieren", sagt Ralf Anselmann und nippt vorsichtig an dem dampfenden Becher, in dem sich der würzig-süße Dornfelder befindet. "Winterkönig" haben sie ihn getauft, ihren Premiumglühwein, den sie neben zwei weiteren Varianten in ihrem Sortiment haben. "Mein Bruder und ich wurden ständig gefragt, welche Sorte sich für die Herstellung des Wintergetränks anbieten würde", sagt Ralf Anselmann. Irgendwann war klar, dass sich ein Glühwein im Repertoire lohnen könnte.
"Oberste Priorität war jedoch, dass wir Sorten produzieren, die auch echten Weinliebhabern schmecken", sagt der 46-Jährige. Das Besondere am "Winterkönig" sei, dass er ausschließlich aus Dornfeldertrauben besteht und nicht aus verschiedenen Rebsorten zusammengemischt wird, erklärt Ralf Anselmann. Dann greift er zu einem anderen Becher, der mit weißem Glühwein gefüllt ist. Das heiße Getränk riecht ein wenig nach warmem Apfelsaft. "Diese Sorte ist feiner, fruchtiger und besitzt sogar eine kleine Ananas- oder Pfirsichnote", sagt Anselmann. "Vielleicht ein bisschen Kandis dazu - das ist eine moderne Alternative zum schweren roten Glühwein."
Etwa 200 000 Liter produzieren die Anselmanns pro Saison - eine verhältnismäßig kleine Menge, wenn man bedenkt, dass insgesamt rund 1,5 Millionen Flaschen Wein, Sekt und Traubensaft auf ihrem Weingut hergestellt werden. 2500 Tonnen Trauben wandern jährlich in ihre Presse, davon stammen etwa 150 Tonnen von der eigenen 120 Hektar großen Anbaufläche. Der Rest wird von Winzern aus der Region zugeliefert. Stark unterscheidet sich die Produktion nicht von der des normalen Weins. Lediglich einen Arbeitsschritt mehr braucht es, um die natürlichen Aromen und den Zucker vor der Befüllung der Flaschen zuzumischen. Rund sieben Millionen Euro setzt das Gut jährlich um. Die Weine werden in mehr als 20 Länder exportiert, unter anderem auch nach Kanada, in die USA, nach Brasilien und sogar nach Taiwan.
Auch der anselmannsche Glühwein wird in anderen Ländern geschätzt. "Unsere Flaschen wurden sogar schon bei Harrods in London verkauft", sagt der jüngere der beiden Brüder. "Und das, obwohl wir gar nicht offensiv damit an den Markt gehen." Auch in diesem Jahr wird wieder eine große Lieferung nach England gehen, denn der Glühwein sei der Verkaufshit auf dem Weihnachtsmarkt im englischen Lincoln, der Partnerstadt von Neustadt an der Weinstraße. Selbst nach Griechenland gehen in diesem Jahr viele Flaschen. In Deutschland ist Roncalli der größte Abnehmer. "Wir beliefern weitere Weihnachtsmärkte in Berlin, Rostock, Jena, Ludwigshafen und Wiesbaden, aber dort ist die Organisation nicht so zentralisiert wie in Hamburg", sagt der 46-Jährige. "Zudem werden unsere Glühweine in vielen kleineren Weinhandlungen verkauft." Beim Produzenten direkt zahlen die Kunden 2,40 Euro für den weißen und roten Gewürzwein, der Winterkönig kostet 3,60 Euro die Literflasche.
Den Hamburger Weihnachtsmarktglühwein gibt es nur in der Hansestadt zu kaufen. An allen Verkaufsständen wird er für 2,50 Euro pro Becher ausgeschenkt, und Anselmann verspricht: "Natürlich, müssen die Leute selbst einschätzen, wie viel Alkohol sie vertragen. Aber die Kopfschmerzen, die viele Glühweine verursachen, sollten die Konsumenten unseres Weins am nächsten Tag eigentlich nicht quälen."