Stadt verlängert Mietvertrag für Kulturzentrum in Wilhelmsburg bis Ende 2012. Betreiber planen Theater zum 50. Jahrestag der Sturmflut.
Wilhelmsburg. Die Soulkitchen in Wilhelmsburg ist gerettet. Die Nutzung der berühmten Halle kann bis zum Ende kommenden Jahres "fortgeführt werden". Das teilt die Finanzbehörde mit. Noch im September hatte sie den Vertrag zum Jahresende gekündigt, um die stadteigene Soulkitchen abreißen zu können , weil nur so das riesige Areal saniert und verkauft werden könne.
In der Wilhelmsburger Soulkitchen, einem Fachwerkbau, entstand der preisgekrönte gleichnamige Film von Fatih Akin - der pikanterweise den Kampf eines Restaurantbesitzers gegen die Schließung zum Thema hat. Später hatte sich dort ein nicht kommerzielles Veranstaltungszentrum etabliert, das schnell zu einem beliebten Treffpunkt wurde.
Mit der Rettung der Soulkitchen-Halle wird ein weiterer Abrissplan aufgrund von Bürgerprotesten aufgegeben. Auch für das Gängeviertel und das Kraftwerk Bille hatte es bereits Beschlüsse gegeben, dass die alte Bausubstanz einer neuen Nutzung weichen muss. Erst das Engagement von Künstlern in den Gebäuden - durch eine sogenannte freundliche Besetzung oder spielerisch-kulturelle Nutzung - hat die Gebäude gerettet.
So kaufte Hamburg das Gängeviertel von einem Investor zurück und gab es nach zähen Verhandlungen in die Hand der Künstler. Das Kraftwerk Bille in Hammerbrook wurde vom Eigentümer Vattenfall nach Protesten nicht abgerissen, sondern in einen "Schaffensraum" umgewandelt.
+++ Fatih Akins Soulkitchen in Wilhelmsburg droht der Abriss +++
Die Soulkitchen-Halle betreibt Mathias Lintl. Er sagt zur Vertragsverlängerung: "Das ist erst mal besser als gar nichts. Der Druck ist weg, wir können endlich planen."
Die Straße führt schnurgerade durch ein Industriegebiet, in dem tagsüber alle paar Minuten Lastwagen von den Speditionen abfahren. Der Blick geht weit über die flachen grauen Zweckbauten - über ein Quartier, das so langweilig wie der Name der Straße ist: Industriestraße. Doch die kleine Soulkitchen-Halle mit braunen, verwitterten Holzwänden steht mitten in dem Grau wie ein Relikt längst vergangener Tage. Künstler mögen so was. Die Wilhelmsburger offensichtlich auch. Denn zu den Musik-, Theater- und anderen Kulturveranstaltungen kommen regelmäßig Hunderte.
Die alte Lagerhalle steht auf einem stadteigenen Grundstück, das riesengroß ist und von der Finanzbehörde der Stadt Hamburg vermarktet werden soll. Genau 16 617 Quadratmeter hat das Areal. Mit seinen 464 Quadratmetern nimmt die Soulkitchen nicht einmal drei Prozent davon ein.
Doch die Sprinkenhof AG, die die Immobilie vermietet, pochte auf den sofortigen Abriss. Als Grund hatte die Finanzbehörde etwas ausgegraben, was schon 47 Jahre in der Erde schlummert: Seit 1964, als die Zinnwerke Wilhelmsburg ihre Arbeit dort einstellten, soll es "starke Bodenverunreinigungen durch Arsen und Schwermetalle" geben. Das brachte eine Kleine Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten Norbert Hackbusch (Linke) ans Licht. In der Antwort des Senats heißt es: "Die Bodensanierung wäre erforderlich, wenn die Nutzung geändert würde, Gebäude abgerissen oder die Oberflächenbefestigungen entfernt würden."
Auf bürokratische Winkelzüge hatten die Soulkitchen-Betreiber im Sommer gelassen reagiert ("Wir besetzen nichts, wir bleiben einfach"), weil sie von vielen Seiten Unterstützung erhielten. So auch von den Machern des Films "Soul Kitchen".
Jetzt hat Mathias Lintl aus Freude über die Vertragsverlängerung "erst mal sechs große Veranstaltungen bis zum Jahresende" neu geplant. Im Januar will er eine Pause einlegen. "Weil die Heizung zu teuer würde", sagt er. Weiterhin will er ein dreitägiges Theaterfestival für den Februar organisieren. "Wir thematisieren die Sturmflut von 1962 zu ihrem 50. Jahrestag."
Eine der Ideen ist es, in der Soulkitchen-Halle, Musikbands gegen Windmaschinen spielen zu lassen. "Das wird spannend - und richtig kalt", sagt er. Drei Abende lang dauert die Sturmflut in der Soulkitchen. Weitere Theaterabende will die Soulkitchen mit dem Jugendhilfeträger Gangway planen, der auch den Segelschoner "Undine" betreibt. Und wie geht es langfristig weiter mit der Soulkitchen?
Die Finanzbehörde teilt in einem Schreiben, das nur aus zwei schlanken Sätzen besteht, lediglich mit, dass "die Suche nach einem geeigneten Ersatzobjekt" bereits laufe.
Die Soulkitchen-Betreiber sind grundsätzlich sogar offen für eine Alternative an anderer Stelle. "Wenn tatsächlich die alte Halle abgerissen werden soll, sind wir bereit zu gehen", sagt Mathias Lintl. Doch er hat eine Bedingung: "Die Finanzbehörde muss uns vorher ein schlüssiges Konzept vorlegen, was danach auf dem großen Gelände errichtet werden soll. Und das Konzept muss vom Stadtteil akzeptiert werden." Doch die Finanzbehörde hat kein derartiges Konzept. Sie möchte nur eine freie Fläche zum Verkauf anbieten.
Als Standort könnte Mathias Lintl sich das Dach des Energiebunkers in Wilhelmsburg oder die alte Zollstation am Spreehafen vorstellen. "Wir haben der Kulturbehörde neun Vorschläge gemacht." Auch Abriss und Wiederaufbau des alten Gebäudes werden in Erwägung gezogen.
Viele Wilhelmsburger gehen jedoch davon aus, dass die Soulkitchen auch 2013 an ihrem Platz steht und weiter als ein nicht gefördertes Kulturzentrum betrieben wird. Es heißt: Ausgerechnet zur Internationalen Bauausstellung IBA würde keiner eine so bekannte Immobilie abreißen ...