Die Staatengemeinschaft muss Teheran daran hindern, eine Atombombe zu bauen.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drängt sein Kabinett seit Längerem, einen Angriffsplan auf iranische Atomanlagen zu genehmigen. Sein Verteidigungsminister Ehud Barak fordert sogar schon ultimativ einen Militärschlag - und zwar bevor die internationale Atombehörde IAEA in Wien ganz offiziell ihren Verdacht erklärte, dass Teheran den Bau von Atombomben anstrebe.
Legt Israel eine neue Lunte an das Pulverfass Nahost mit ungeahnten Folgen für die gesamte Region und vor allem für das eigene Land? Sollte dies so sein, müssten die Verbündeten Israel unverzüglich in den Arm fallen. Doch noch ist es nicht so weit. Vieles ist noch Theaterdonner und diplomatisches Säbelrasseln. Die Israelis selber wissen nur zu genau um die unabsehbaren Folgen eines Präventivschlags - militärisch wie politisch.
Gewiss, Israel hat in der Vergangenheit Atomanlagen im Irak und in Syrien zerstört. Aber auch die härtesten Falken in Jerusalem kennen den gewaltigen Unterschied, ob die zu treffenden Nuklearziele praktisch vor der eigenen Haustür wie auf einem Präsentierteller liegen oder wie im Iran in Stollen tief unter der Erde - in einem Land, das 2000 Kilometer von Israels Flugplätzen entfernt liegt und über modernste Raketen- und Flugabwehrtechnik verfügt.
Politisch ist überhaupt nicht abzusehen, was solch ein Angriff auslösen würde. Israel liefe Gefahr, weltweit noch isolierter dazustehen, als das leider schon heute der Fall ist. Nach dem Sturz Mubaraks in Ägypten ist nicht nur ein verlässlicher Partner in der Region weggebrochen, Islamisten gerade in den Staaten des Arabischen Frühlings bekämen Auftrieb von kaum vorstellbarer Dynamik. Aus dem Gaza-Streifen und dem Libanon würden die von Iran finanzierten Milizen der Hamas und Hisbollah Raketen auf das Heilige Land niederprasseln lassen - mit vielen Todesopfern.
Diese Milizen kann Israel nicht einfach wegbomben. Das hat schon in der Vergangenheit nicht funktioniert. Aus dem Libanon musste sich Jerusalem schon einmal zurückziehen.
Was noch wichtiger ist: Die Freunde Israels in der Welt sind nicht nur weniger geworden - die wenigen sogar weniger verlässlich. Das hat nicht nur die breite internationale Sympathie für den Aufnahmeantrag der Palästinenser in die Uno gezeigt, sondern auch die überraschend vollzogene Mitgliedschaft in die Unterorganisation Unesco. Hilfe aus Europa und den USA könnte Israel kaum erwarten. Die Beweise, die Yukiya Amano, Chef der Atombehörde, vorlegte, stammen weitgehend aus Geheimdienstquellen. Und nicht nur US-Präsident Obama bräuchte mehr als unscharfe Fotos von Aufklärungssatelliten, um seine Bürger von einem neuen Waffengang zu überzeugen. Seit dem Irak-Trauma sitzt das Misstrauen gegen solche Beweise tief. Zudem versucht sich der kriegsmüde Westen halbwegs ehrenvoll aus seinem Anti-Terror-Feldzug in Afghanistan zu verabschieden.
Das wissen auch die Israelis und haben schon deshalb bei allem Säbelrasseln ihren Präsidenten Schimon Peres an die diplomatische Front vorgeschickt - immerhin ein Träger des Friedensnobelpreises und weltweit wohl der am meisten geachtete Politiker des Judenstaates. Er erinnerte an die Versprechen der Staatengemeinschaft, Iran mit seinem verblendeten Präsidenten Ahmadinedschad am Besitz von Atombomben zu hindern. Im Klartext: Da bisher alle Sanktionen gegen Teheran eher halbherzig waren, müssen jetzt - und China und Russland dürfen nicht länger abseits stehen - schärfere Regelungen ran, bis dem Regime in Teheran die Luft zu atomaren Abenteuern ausgeht. Sonst droht im Nahen Osten eine Katastrophe. Und Israel die Zerstörung, die ihm seine Erzfeinde unter Anführung des Iran schon länger androhen.
Da darf die Welt nicht zusehen. Wir Deutschen schon gar nicht.