Unternehmen verordnen sich mehr Frauen an der Spitze. Ob das reicht, ist fraglich
Wer hätte das vor 20, 30 Jahren gedacht: Zwei CDU-Ministerinnen im Kabinett einer Bundeskanzlerin streiten um den Königsweg für mehr Frauen in höchsten Positionen der deutschen Wirtschaft. Die Diskussion um eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote in den DAX-Unternehmen wird erbittert und nach allen Regeln der Politik - also teilweise wenig ladylike - geführt. Mit Zustimmung der jungen Frauenministerin Kristina Schröder wollen sich Unternehmen von Adidas bis Volkswagen nur auf eine Selbstverpflichtung bei der Anzahl von Frauen in Führungspositionen festlegen, mal mit höheren, mal geringeren Prozentsätzen, und auch die Definition einer "oberen Hierarchieebene" ist variabel. Selbst die Personalchefin von Siemens ist gegen eine gesetzliche Frauenquote in Vorständen oder Aufsichtsräten: Zu unterschiedlich seien die einzelnen Branchen, vor allem in technischen Berufen gebe es viel zu wenig junge Frauen. Das stimmt, allerdings ist dies wahrlich kein neues Phänomen und wirft allenfalls die Frage auf, warum es die Unternehmen wie Siemens bis heute nicht geschafft haben, sich so attraktiv zu machen, dass Schulabgängerinnen nicht "irgendwas mit Medien", sondern "irgendwas mit Technik" machen wollen. Haben die Mädchen nicht angeblich schon lange ihren Rückstand in den naturwissenschaftlichen Fächern aufgeholt?
Anders gesagt: Ein verlässliches Instrument wie die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote für Führungspositionen kann das nötige Signal an junge Frauen sein, dass in einem Unternehmen unverrückbare Möglichkeiten geschaffen werden, auch mit Blick auf die Vereinbarkeit von Karriere und Kindern. Kommt die Quote für Karrierefrauen, müssen die Kinderbetreuung oder Home-office-Möglichkeiten folgen, unausweichlich. Dann bietet sich eine Chance für eine Work-Life-Balance, wie sie übrigens auch Männer gerne öfter hätten.
Schröder hält jedoch nichts von klarer Kante, kuschelt sich - im Sinne des mühsamen Koalitionsfriedens - mit dem albernen Begriff der "Flexi-Quote" an die Seite der Liberalen. Dabei riskiert sie, im kommenden Jahr vom langen Arm aus Brüssel eingeholt zu werden. Ausgerechnet Christdemokratin Viviane Reding, Vizepräsidentin der EU-Kommission, droht mit einer gesetzlichen Quote und will im März 2012 Bilanz ziehen, ob die deutschen Bemühungen für mehr Frauen in Spitzenpositionen ausreichen. Die gestern in Berlin vorgestellten Bemühungen der DAX-Unternehmen seien immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch andere Länder wie Italien, Spanien, Frankreich oder die Niederlande Quoten bereits beschlossen hätten.
Reding steckt ihre Ziele sehr hoch: Am liebsten hätte sie eine Selbstverpflichtung der europäischen Firmen, den Frauenanteil in Aufsichtsräten bis 2020 auf 40 Prozent zu erhöhen. Dass Drohungen aus Brüssel durchaus ernst zu nehmen sind, weiß man in Deutschland spätestens seit 2006, als nach entsprechenden EU-Richtlinien zur Gleichbehandlung das Antidiskriminierungsgesetz beschlossen wurde, begleitet vom Zähneknirschen der deutschen Wirtschaft.
Reding ist energische 60 Jahre alt, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen flotte 53: Direkt proportional zum Lebensalter scheint der Hang zur Quote zu wachsen. Die Damen haben Erfahrung und wohl schon zu viele Männer erlebt, die bei gleicher Qualifikation von ihren Chefs beim Aufstieg bevorzugt wurden, während Frau Schröder den idealistischen Realismus junger Frauen ohne berufliche Narben predigt. Dass übrigens auch CSU-Chef Seehofer die Quote ablehnt, stattdessen mehr Familienfreundlichkeit in Betrieben fordert, wird Mütter, die in Bayern keine adäquate Kinderbetreuung finden, wütend machen. Aber der Mann hat ja in Berlin nicht mehr viel zu sagen, seit eine Frau dort Chefin ist.