In Europas Umwelthauptstadt fehlt ein Konzept gegen Lärm, Luftschadstoffe, Staus und den Sanierungsstau im Straßennetz

In diesem Jahr, in dem die Metropole Hamburg den Titel Europäische Umwelthauptstadt trägt, geht es einmal mehr um eine umwelt- und klimaverträgliche Verkehrspolitik in unserer Stadt.

Im Dialog werden die üblichen Schlagworte zur klimafreundlichen Mobilität öffentlich weichgespült. Letztendlich aber scheut die Politik die Auseinandersetzung mit den konkreten Fakten.

In unserer schönen Stadt leben 130 000 Menschen an gesundheitsschädlich verlärmten Verkehrswegen, über 220 000 Bürger wohnen in Gebieten, in denen die Luftschadstoffkonzentration deutlich über den europäischen Grenzwerten liegt.

Staus sind an der Tagesordnung, der Verkehrsverbund HVV kommt in einigen Bereichen an seine Beförderungsgrenzen, und das Geld aus dem öffentlichen Haushalt zur Sanierung von Straßen und Brücken fehlt mit konstanter Gewissheit. Damit ist nur der Istzustand beschrieben. Ergänzt wird dieser durch Prognosen, die von einer Verkehrszunahme bis zum Jahr 2025 vor allem im Güterverkehr von 70 Prozent ausgehen. Da der Hamburger Hafen seinen Umschlag und damit auch den Abtransport von Containern mehr als verdoppeln will, muss man außerdem noch feststellen: Die Belastungen für Mensch und Umwelt werden in Hamburg trotz allen zu erwartenden technischen Fortschritts nicht ab-, sondern deutlich zunehmen.

Weiterhin gilt: Wir haben schon heute zu wenig Geld, um die vorhandenen Straßen in Deutschland auch nur instand halten zu können.

40 Prozent der Bundesstraßen, 25 Prozent der Autobahnen und fast jede zweite Brücke sind in einem maroden Zustand, der Sanierungsstau ist inzwischen eine bittere Realität. Und wir erinnern uns an die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse, die folgenden Nebeneffekt mit sich bringt: Immer mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur zulasten zukünftiger Generationen wird es dann nicht mehr geben.

In der öffentlichen Debatte scheint der Verkehrszuwachs dennoch als gottgegeben hingenommen zu werden, und etwa der Hamburger Handelskammer fällt weiterhin als mögliche Lösung nur der Neubau von Straßen ein.

Eine Ost- und Westumfahrung Hamburgs müssen her, Küstenautobahn und Autobahn 39 sind "gesetzt", und natürlich darf auch die Hafenquerspange nicht fehlen. Das aber bedeutet auch: mehr Straßen also, die wir in Zukunft erst recht nicht mehr unterhalten können.

Der Verkehr trägt zu etwa 25 Prozent zur Klimabelastung bei, wobei die Tendenz steigend ist. Auch hier kann man den Eindruck gewinnen, die Probleme in Bezug auf die Folgen für unsere Umwelt werden nicht zu Ende gedacht. Die Hamburger Politik kapriziert sich allen Ernstes auf ein modernes Bussystem als eine Art Heilsbringer und streitet allenfalls darum, ob die Busse bis oder ab dem Jahr 2020 emissionsfrei sein sollen.

Wirkungsvolle Maßnahmen zur Reduzierung des Verkehrs auf Hamburgs Straßen werden hingegen vom aktuellen Senat mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im Monatstakt beerdigt. Geplant sind weder eine ernsthafte Parkraumbewirtschaftung in Hamburg, noch haben City-Maut oder Umweltzone derzeit eine politische Chance.

Und die Stadtbahn für Hamburg, die noch vor nicht allzu langer Zeit ein Bestandteil der euphorischen Bewerbung um den Titel Umwelthauptstadt Europas war, ist endgültig tot.

Wie man hört, sollen die entsprechenden Flächen für den geplanten Betriebshof nun für andere Projekte zur Verfügung gestellt werden. Was zur selben Zeit 130 Städte in Europa dagegen mit ihren Aus- oder Neubauten von Straßenbahnnetzen vormachen, kümmert die Hansestadt Hamburg offensichtlich nicht.

Was hier im Norden bleibt, ist lediglich eine Symbolpolitik nach dem Motto: hier ein paar Hybridbusse auf den Weg zu schicken und dort eine Tankstelle für Elektrofahrzeuge einweihen.

Das erschreckende Fazit: Die Scholz-SPD hat sich von zukunftsfähiger Verkehrspolitik verabschiedet.

Manfred Braasch, 47, ist Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg