Bezirkschef lenkt nach massivem Protest ein: “Allein gegen alle - das geht nicht“
Hamburg. Der öffentliche und politische Druck war zu groß: Markus Schreiber (SPD), Bezirksamtsleiter des Hamburger Bezirks Mitte, hat den umstrittenen Stahlzaun unter der Kersten-Miles-Brücke nahe den Landungsbrücken am Freitag wieder abmontieren lassen. Das Gitter gegen den Aufenthalt von Obdachlosen hielt nur neun Tage.
"Ich bin zwar ein tapferes Schneiderlein, aber allein gegen alle - das geht nicht", sagte Schreiber dem Abendblatt. Alle fünf Bürgerschaftsfraktionen, der SPD-geführte Senat sowie Anwohner hatten sich gegen den Zaun ausgesprochen. Den letzten Ausschlag gab ein Gespräch Schreibers mit dem Präsidenten der Nordelbischen Synode, Ex-Staatsrat Hans-Peter Strenge (SPD), der als Moderator eingesetzt ist. "Wenn ohnehin alle dafür sind, dass der Zaun wegkommt, dann liegt es nahe, das sofort zu erledigen", sagte Strenge. "Das kann die Moderation ein Stück weit entspannen." Strenge dürfte jedoch auch im Blick gehabt haben, dass die Gegner des Zauns für den heutigen Sonnabend eine Demonstration angemeldet haben.
So flogen am Freitagnachmittag unter der Kersten-Miles-Brücke die Funken. Mit Trennschleifern zerlegten fünf Arbeiter des Bezirksamts Mitte die Stahlkonstruktion. Erst hoben sie die Gitter heraus, dann brachen sie die Streben mit einem Presslufthammer aus ihrer Verankerung. Nach vier Stunden war die Absperrung in Einzelteilen auf Kleinlaster verladen. "Ich habe keine Ahnung, was mit dem Zaun jetzt wird", sagte einer der Metallbauer.
Einige Menschen blieben stehen und schauten den Arbeitern zu, der Andrang hielt sich aber im Vergleich zu den Demonstrationen des vergangenen Wochenendes in Grenzen. "Das ist ein Etappensieg", sagte Andreas Gerhold vom Bündnis "Der Zaun muss weg". Die vom Zusammenschluss angemeldete Demonstration soll trotzdem stattfinden. "Der Zaun ist nur die Spitze des Eisberges", so Gerhold. "Uns geht es um jede Form von Verdrängungspolitik, um die Wagensiedlung in Wilhelmsburg, um die Trinker vor dem Hauptbahnhof und um die Sexarbeiterinnen auf St. Georg." Bis zu 1000 Menschen erwarte das Bündnis zur Demo.
Schreiber hatte zunächst darauf bestanden, dass der runde Tisch erst eine Alternative für die dauerhafte Unterbringung der Obdachlosen erarbeiten müsse, ehe der Zaun verschwinden könne. Davon war nun keine Rede mehr. Strenge lobte, dass sich der Bezirksamtsleiter kooperativ verhalten habe. Der Synoden-Präsident will bis zu zehn Gesprächspartner am runden Tisch versammeln und noch im Oktober einen Vorschlag vorlegen. Nach dem Willen Strenges soll sich die Runde nicht nur mit dem aktuellen Fall befassen, sondern auch generell mit dem Thema Obdachlosigkeit in Hamburg.
SPD-Bürgerschafts-Fraktionschef Andreas Dressel zeigte sich erleichtert über den Abbau des Zaunes. "Ich freue mich, dass der von uns angestoßene Moderationsprozess zu einem sichtbaren Ergebnis geführt hat", sagte Dressel. "Das ist ein starkes Signal." Er wünsche sich von allen Beteiligten, dass sie nun einen konstruktiven Dialog führen, um eine Lösung zu erreichen.