Mit Angst und Bedenkenträgerei lässt sich die gemeinsame Währung nicht retten
Deutschland kommt besser als die meisten anderen Industrieländer aus der Krise. Der Export zieht an, der Arbeitsmarkt entwickelt sich positiv. Und es drängt sich die Frage auf, ob das trotz oder wegen der Bundesregierung so ist: einer Regierung, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, deren Chefin in der Euro-Krise im In- und Ausland für ihr zögerliches Handeln gescholten wurde und die nicht zuletzt deshalb gestern im Bundestag um ihre eigene Mehrheit bei der Abstimmung über den Eurorettungsschirm bangen musste.
Denn ihr Zaudern hat unsere europäischen Partner verunsichert und den einheimischen Euro-Skeptikern unnötig Raum gegeben. Traditionell finden düstere Mahner in Deutschland eher Gehör als Optimisten. Behalten sie recht, können sie für sich reklamieren, es schon immer gewusst zu haben. Wenn nicht, legt sich der gnädige Mantel des Vergessens über ihr Geunke. Vor allem aber lassen sich mit dunklen Prophezeiungen hervorragend Stimmungen und Stimmen generieren. Besonders, wenn es um unser Liebstes, das Geld, geht.
Da gibt es die, die den Euro schon immer für eine Missgeburt hielten, jene, die verzinste Darlehen als schon verlorene Posten deklarieren, und solche, die vorgeben, man müsse künftigen Generationen eine problemfreie Zukunft hinterlassen. Dass angesichts schwindelerregender Milliardenbeträge und der komplizierten Materie mancher Abgeordneter - auch der Regierungskoalition - Bedenken entwickelt, ist nicht verwunderlich. Bedenklich ist allerdings, dass vor allem die Liberalen im Angesicht der eigenen Pleite glauben, das Thema für sich nutzen zu können. Das ging schon im Berliner Landtagswalkampf gründlich daneben. Und wenn jetzt nach Parteichef Rösler auch FDP-Fraktionsvorsitzende aus den Bundesländern fordern, es dürfe in Sachen Euro-Rettung keine Denkverbote geben, müssen sie sich zuerst selbst fragen, wer oder was ihre Hirntätigkeit eingeschränkt hat. Möglicherweise war es die Angst vor dem eigenen Untergang. Vielleicht ist manch anderem Euro-Skeptiker gestern auch gedämmert, dass er im Falle vorgezogener Neuwahlen sein Mandat verlieren könnte. Diesen pragmatischen Ansatz können die Zweifler auch auf größerer Bühne weiterverfolgen. Deutschland ist mit seiner Exportwirtschaft der größte Gewinner des Euro. Unsere meisten Ausfuhren gehen in die EU. Wir haben also ein existenzielles Interesse daran, dass unsere Kundschaft solvent und unsere Währung stabil bleibt.
Nun kann man darüber streiten, ob immer neue Rettungsschirme oder Euro-Bonds der bessere Weg sind. Eine Pleite Griechenlands, der dann andere Staaten bis zum Zusammenbruch des Euro folgen würden, wäre es vermutlich nicht. Ganz sicher aber sind Angst und Verzagtheit die schlechtesten Ratgeber in der Not. Sie tragen Unsicherheit und Lähmung in die eigenen Reihen und ermöglichen Angriffe von außen. Die Regierungsmehrheit hat gestern noch einmal knapp gehalten. Aber in Demokratien ist nach der Abstimmung auch immer vor der Abstimmung. Mit der gestrigen Entscheidung wurde lediglich Zeit gekauft. Ohne gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik, die einen Verzicht auf nationale Rechte erfordert, bleiben der Euro und die ganze Gemeinschaft in Gefahr. Es wird also auch künftig hitzige Euro-Debatten und knappe Abstimmungen geben. Eine Krise kann ein Land schon einmal trotz seiner Regierung überstehen. Große Zukunftsprojekte gelingen aber nur mit mutigen Entscheidungen.