Ingo Meyerdierks ist als Flottenchef bei der Lufthansa für alle Riesenairbusse verantwortlich. Zum Flughafengeburtstag am Sonntag landet er mit einem in Fuhlsbüttel
Hamburg. Da ist es wieder. Das Blitzen in seinen Augen. Eigentlich ist Ingo Meyerdierks ein sachlicher, ernster Mann. Wettergegerbtes Gesicht, dunkelblondes Haar, blaue Uniform. Wenn Ingo Meyerdierks vom 10. Mai 2010 spricht, wenn er davon schwärmt, wie sich "sein" Flugzeug in der Luft anfühlt, dann blitzt der Junge in seinen Augen auf, der "schon immer Pilot werden wollte". Damals träumte er davon, Pilot eines Jumbos, der Boeing 747, zu werden. Doch es kam viel besser.
Der 46-jährige Hamburger ist heute Chef der A380-Flotte der Lufthansa. "Flottenchef A380/Technischer Pilot A380" steht demnächst auf seiner Visitenkarte. Noch braucht er bescheiden die alten Karten mit der Bezeichnung "Flugkapitän A380/A340" auf. Er war der erste Lufthansa-Pilot, der den Airbus A380 flog. Fast 250 Piloten haben Meyerdierks und sein Team für das größte Passagierflugzeug der Welt bereits ausgebildet. Alle acht Riesenjets der Lufthansa hat er auf Finkenwerder beim Endausbau begleitet und für die Fluglinie abgenommen und getestet.
Und an diesem Sonntag erlebt der Hamburger einen ganz besonderen, seltenen fliegerischen Höhepunkt: Ingo Meyerdierks fliegt die A380 von Frankfurt aus "nach Hause" an die Elbe. Zum 100. Geburtstag des Hamburger Flughafens bringt der oberste A380-Pilot den Riesen nach Fuhlsbüttel. Auf dem Rollfeld - so ist es geplant - werden die Piloten dann zwei Hamburg-Flaggen aus den Cockpitfenstern halten. "Ganz gleich, wo wir mit der A380 landen, es ist immer noch ein totaler Andrang", sagt Meyerdierks. "Das ist immer noch etwas ganz Besonderes."
Etwa eine Stunde nach der Landung startet Meyerdierks um 10 Uhr zum ersten von zwei Rundflügen über Norddeutschland mit insgesamt 1000 Hamburgern. Um 17.35 Uhr wird das Heimspiel beendet sein. Dann hebt Ingo Meyerdierks mit dem 375 Millionen Dollar teuren Jet wieder Richtung Frankfurt ab. Noch am Abend geht es für den Airbus nach Johannesburg.
"Die A380 fliegt sich einfach einmalig", sagt Meyerdierks mit diesem begeisterten Leuchten in den blauen Augen. Das beim Start mit 560 Tonnen schwere, größte Passagierflugzeug der Welt sei in der Luft "total leichtfüßig". Ingo Meyerdierks ist vorher alle Airbus-Typen geflogen - von der kleinen A320 bis zum Langstreckenjet A340. "Es ist das faszinierendste Flugzeug, das ich je geflogen habe", sagt er und genießt es, mit seinen Kollegen eine Art Pionier und Abenteurer der Luftfahrt zu sein.
Als Flottenchef arbeitet Meyerdierks nicht nur am Himmel. Nur die Hälfte seiner Arbeit ist das eigentliche Fliegen. In der übrigen Zeit ist sein Cockpit ein Büro im Frankfurter Flughafen. Hier organisiert er den Flugbetrieb der A380-Flotte und hält - wie er zurückhaltend sagt - den Piloten den Rücken frei, damit sie sich auf das konzentrieren können, was ihre Leidenschaft ist. Fliegen.
Ob es für ihn da nicht mehr Sinn machte, in Frankfurt zu wohnen? Auf keinen Fall! Der in der Nähe von Bremen geborene Pilot ist Hamburger aus ganzem Herzen: "Ich liebe es, in dieser Stadt zu wohnen." Viel zu selten habe er Zeit, Hamburg zu genießen. Viel zu selten komme er dazu, auf der Nordsee zu segeln. Die kostbare Zeit ist gerade jetzt, während wir uns auf dem Hamburger Flughafen zum Gespräch und Fototermin treffen. Ingo Meyerdierks hat eigentlich Urlaub. Statt einen Koffer mit Reisegepäck rollt der Pilot einen Teil der umfangreichen Ausrüstung unseres engagierten Fotografen über das Rollfeld. Blitzlichtgewitter statt Landebahnbefeuerung. Fotograf Roland Magunia ist in seinem Element, legt sich auf die Betonpiste und genießt die tollen Motive: Mensch, Technik und dahinter ein atemberaubender Tanz der Wolken am Himmel. Für Ingo Meyerdierks ist es ein sympathisch-ungewohnter Blindflug.
Der Laufsteg ist nicht sein Terrain. Himmel, Cockpit, Startbahn und Werkhalle sind es dagegen auf jeden Fall. Ingo Meyerdierks kennt seine A380 aus dem Effeff. "Jeder der Jets ist ein ganz klein wenig anders", sagt er. Und er muss es wissen. Von dem Moment an, wenn der noch grüne und vollkommen leere Rumpf einer Lufthansa A380 aus Toulouse in Hamburg landet, begleitet Meyerdierks seine Vollendung. In den Wochen kurz vor der Auslieferung ist der Flottenchef täglich im Werk auf Finkenwerder.
Die nächste A380 für die Lufthansa wird im April 2012 fertiggestellt. Voraussichtlich im Juni soll dann die 10. A380 mit dem stilisierten Kranich an dem 24,10 Meter in die Höhe ragenden Seitenruder den Dienst aufnehmen. Dann werden interessierte Hamburger eine Hommage des Flottenchefs an seine Wahlheimat erleben: Nach dem Start auf Finkenwerder kehrt Meyerdierks zurück zur Elbinsel. Im Tiefflug über die Werk-Landebahn. Durchstarten. Kurzes Winken mit der insgesamt 79,80 Meter langen Spannweite. Tschüs, Hamburg!
Wohin fliegt er dann am liebsten? Da muss Ingo Meyerdierks, der seit 1999 Flugkapitän bei Lufthansa ist und 1986 die Flugschule in Bremen besuchte, nicht lange überlegen. Sein Lieblingsziel heißt San Francisco. Er liebt die Stadt und ihre wunderbare Lage am Wasser. Und welches zusätzliche Ziel wünscht er sich für seinen Riesenvogel? Die Antwort des Flottenchefs kommt wie aus der Pistole geschossen: "Er sollte regelmäig seinen Heimathafen Hamburg anfliegen!"
Wir sind fast am Ende unseres Gesprächs angelangt und vom Vorfeld wieder in den ruhigen Räumen des Terminals 2 angekommen. "Was war Ihr schönstes Flugerlebnis mit der A380?", frage ich. Die Antwort des Flottenchefs kommt flugschnell: "Der allererste Flug am 10. Mai 2010." Ein Moment der Stille, dann folgen die Details: "Wir hatten mehrere Monate darauf hingearbeitet. Der Start wurde mehrfach verschoben. Dann kam dieser Morgen. Ich erinnere mich genau. Leichter Wind, aufgelockerte Bewölkung. Und es hieß endlich: Jetzt einsteigen! Vier Stunden sind wir zum Testen über der Nordsee geflogen. Und das Einzige, das nicht funktionierte war der Scheibenwischer am Cockpitfenster des Flugkapitäns." Mehr hat Ingo Meyerdierks dazu nicht zu sagen. Den ganz großen Rest der Geschichte erzählen seine blauen Augen. Wortlos. Aber strahlend vor Glück.