Ein Kommentar von Christian-A. Thiel
Ob es sinnvoll ist, drei Tage vor dem Saisonauftakt der Fußball-Bundesliga ein Testspiel - gegen einen gewiss nicht unattraktiven Gegner - anzusetzen, sei dahingestellt. Ob ein Trainer sich selbst und fast 34 000 Zuschauern einen Gefallen tut, wenn er gleich 21 Spieler auf den Platz schickt, ist ebenso anzuzweifeln. Und klar, Eintrittskarten sind teuer und ein schöner Sommerkick sieht anders aus. Doch sicher ist auch: Wenige Stunden, bevor eine richtungweisende Saison beginnt, sollten die Fans darauf verzichten, wegen einer absehbaren Niederlage über ihre Mannschaft den Stab zu brechen und besonders in Person ihres Mannschaftskapitäns gnadenlos auszupfeifen.
So geschehen am Dienstag bei einem Spiel mit dem schönen Namen "Hanwha-Solar-Cup" in der Hamburger Arena. Der alte und neue HSV-Kapitän Heiko Westermann musste sich als Objekt der Missfallenskundgebungen wie ein Blitzableiter fühlen. Eine Rolle, die er als Primus inter pares allein durch sein Amt annehmen muss. Aber: nicht in dieser Form und nicht jetzt. Nicht nur die Mannschaft, auch die pfeifenden Fans haben an diesem Sommerabend verloren.
Der Verein hatte für sein Projekt des runderneuerten HSV mit dem Wechsel vom ältesten zu einem der jüngsten Kader der Liga Geduld eingefordert. Wunder geschehen nicht über Nacht. Die HSV-Führung hat signalisiert, auch nach ein paar Niederlagen nicht die Nerven zu verlieren. Das muss auch für die Fans gelten. Wenn der Umbruch klappt, haben auch sie gewonnen. Wenn nicht, können sie ihre überschüssige Energie gern auf den Rängen zum Besten geben.