Die Suche nach einem bezahlbaren Zuhause in Hamburg für vier Personen ist ernüchternd. Zu hoher Preis, zu laut, Kinder unerwünscht.
Hamburg. Der Senat will von sofort an jedes Jahr mindestens 1000 Wohnungen für Familien mit Kindern bauen lassen. Das geht aus dem "Vertrag für Hamburg" hervor und wurde jetzt bekannt. Der Senat hatte den Vertrag Anfang Juli mit den sieben Bezirken als Programm gegen die Wohnungsnot beschlossen. Von den geplanten bis zu 6000 neuen Wohnungen pro Jahr sollen "etwa 600 für Familien mit drei Personen und etwa 400 für Familien mit vier oder mehr Personen sein", rechnet Frank Krippner, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Hamburg, vor.
Ein Hoffnungsschimmer, denn von den vorhandenen 667 000 Mietwohnungen (Stand 2006, aktuellere Zahlen gibt es nicht) sind die meisten für Familien viel zu teuer. Und obwohl es immer weniger Haushalte mit Kindern gibt - nach Angaben des Statistikamts Nord sind es nur noch 18 Prozent - ist die Suche nach bezahlbarem Wohnraum nicht einfacher geworden. Im Gegenteil: "Früher haben ganze Familien auf 50 Quadratmetern gewohnt. Inzwischen ist der Pro-Kopf-Flächenbedarf auf 42 bis 45 Quadratmeter gestiegen", sagt Torsten Flomm, Geschäftsführer des Grundeigentümer-Verbandes Hamburg. "Familien konkurrieren mit Singles und Doppelverdienern um große, gute Wohnungen. Da können sie nur verlieren." Zumal es verhältnismäßig wenig große Wohnungen gebe.
Wie nervenaufreibend und trostlos es sein kann, als Familie mit zwei Kindern ein neues Zuhause zu suchen, hat ein Abendblatt-Test ergeben. Die durchschnittliche Miete liegt in der Hansestadt bei 6,76 Euro pro Quadratmeter, da sollte für 1200 Euro warm eigentlich eine Familienbleibe mit vier Zimmern zu finden sein. Doch der Blick in Zeitungsinserate und die einschlägigen Immobilienportale im Internet ist ernüchternd. Das Angebot ist spärlich, auch wenn man den Radius der infrage kommenden Stadtteile größer zieht als geplant. Neuwiedenthal, Kirchwerder, Neuenfelde, Neuengamme, Osdorf oder Jenfeld, Steilshoop - in diesen Stadtteilen gibt es einige Wohnungen, sogar unter 1000 Euro. Wenn man zentraler wohnen möchte, wird es ganz dürftig. Die meisten Wohnungsangebote mit vier Zimmern liegen deutlich über 1500 Euro Kaltmiete. Folgende Annonce klingt dagegen wie maßgeschneidert: "Eimsbüttel, 4 Zimmer, 120 Quadratmeter, Balkon, Einbauküche, Vollbad, Miete inklusive Nebenkosten rund 1200 Euro." Und auch noch von privat. Der Vermieter, ein älterer Herr, geht selbst ans Telefon. Nun, es sei nicht direkt das quirlige Eimsbüttel, sondern eine kleine Nebenstraße in Niendorf, sagt er. Aber das ist ja kein Nachteil, sondern ideal für eine Familie! "Ungern", sagt da der Vermieter, "weil es die obere Etage in einem Zweifamilienhaus ist". Wie alt denn die Kinder seien, will er noch wissen. Über Kleinkinder könne man ja reden, aber größere, das ginge nicht. "Dann müssen wir das Gespräch an dieser Stelle abbrechen", sagt er und wünscht noch viel Erfolg bei der Suche.
Ähnlich reagiert ein Makler, der eine 3,5-Zimmer-Wohnung, 106 Quadratmeter, drittes Obergeschoss, ebenfalls in Niendorf, anbietet. Mit 1055 Euro Kaltmiete eigentlich etwas zu teuer, aber die Straße ist ruhig und zentral gelegen. Der Makler macht den Träumereien rasch ein Ende. Eine Familie im Obergeschoss? Da müsse er den Vermieter erst fragen. Er ruft nicht zurück.
Die Vermieterin einer Vierzimmerwohnung an der Osterfeldstraße in Lokstedt möchte dagegen ausdrücklich an eine Familie vermieten. Sie habe selbst vier erwachsene Kinder und störe sich nicht an Kinderlärm. Aber die 100-Quadratmeter-Wohnung ist auf zwei Ebenen verteilt und hat fast überall Schrägen. Der Grundriss ist ziemlich vergurkt. Was schlimmer wiegt: Der Verkehr an der vierspurigen Straße braust ununterbrochen. Dafür sind die knapp 1150 Euro warm einfach zu teuer.
Weiterer Versuch am äußersten Rand von Schnelsen an der Marek-James-Straße: Die Fotos im Exposé sehen gut aus, der freundliche Makler macht einen schnellen Besichtigungstermin möglich. Doch der Gang in den dritten Stock des Hauses (Baujahr 1999) ist eine Belastungsprobe für die Geruchsnerven. Blauer Teppichboden im gesamten Treppenhaus, die Flecken undefinierbar. Es stinkt. Die Wohnung ist dafür frisch gestrichen, der Laminatboden etwas mitgenommen. Die kleine Loggia liegt zur vierspurigen Straße. Und dafür 1120 Euro? Dann lieber richtig raus aus der Stadt.
"Wir haben in Hamburg nicht das Angebot an Wohnungen, um junge Familien in die Stadt zu locken", sagt Torsten Flomm. "Am Ende landen viele dann in Halstenbek oder Schenefeld." Von einem angespannten Mietwohnungsmarkt" spricht auch Peter-Georg Wagner, Sprecher des Immobilienverbands Deutschland (IVD) Nord. Er lobt die Wohnungsbau-Initiative der Stadt: "Der Senat nimmt das sehr ernst, und die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten ist sehr eng", sagt Wagner.
Mehr als 60 Prozent der Hamburger Haushalte haben monatlich nicht mehr als 2600 Euro netto zur Verfügung. "Früher reichte ein Wochenlohn für die Miete, inzwischen gehen teilweise schon mehr als 50 Prozent des Monatseinkommens für das Wohnen drauf", sagt Eckard Pahlke, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. "Für Familien ist Hamburg zu teuer. Die Durchschnittsfamilie kann die Mietpreise nicht mehr bezahlen. Das ist eine Katastrophe, vor der ich schon lange gewarnt habe."
Welche Erfahrungen haben Sie bei der Suche nach einer Wohnung für Ihre Familie gemacht? Schreiben Sie an lokales@abendblatt.de , Stichwort: Wohnungssuche.