Mathias Mogge, 47, ist Direktor für Hilfsprogramme bei der Welthungerhilfe
Hamburger Abendblatt: 1. Tut Deutschland genug gegen die aktuelle Hungersnot?
Mathias Mogge: Es gibt zwar die Zusage der Kanzlerin über eine Million Euro Hilfsgelder für ein Flüchtlingscamp in Kenia, aber das reicht bei Weitem nicht. Rund zehn Millionen Menschen sind von der Dürre und Hungersnot betroffen. Das Entwicklungsministerium muss seine Hilfe deutlich ausweiten.
2. Liegt es nur am ausbleibenden Regen, dass es so plötzlich zur Katastrophe kommen konnte?
Mogge: Nur zum Teil. In fünf der vergangenen sieben Jahre hat es wenig oder gar nicht geregnet, dadurch sind die Getreide- und Tierreserven immer weiter abgeschmolzen. Die Menschen wurden immer schwächer, und die vielen Kriege und Unruhen haben ein Übriges getan. Dann stiegen auch noch 2010 die Lebensmittelpreise an. Als in der letzten Regenzeit kaum Regen fiel, war die Katastrophe da. Die Preise für Vieh sinken durch die Dürre, das heißt, den Menschen bleibt immer weniger, um sich Getreide oder Hirse zu kaufen.
3. Gerade Ostafrika fällt immer wieder durch Hungersnöte auf. Wird die Welt immer wieder dort helfen müssen?
Mogge: Vielleicht müssen wir irgendwann feststellen, dass das Leben als viehhaltender Nomade nicht mehr in diesen Ländern praktizierbar sein wird. Wir sind in vielen Gegenden an einem Punkt angekommen, wo eine Besserung nicht mehr möglich ist. Wir als Entwicklungshelfer und -politiker müssen auch über Alternativen wie Umsiedlungen und Einkommensalternativen für die Bevölkerung nachdenken.
4. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Lebensmittelknappheit und dem zunehmenden Anbau von Energiepflanzen?
Mogge: Der verstärkte Anbau von Pflanzen für die Erzeugung von Biokraftstoff lässt auf jeden Fall die Preise steigen. Länder wie China kaufen große Ländereien für die Produktion dieser "Biofuels" auf. Dadurch kommt es zu einer Verknappung von fruchtbaren Böden und Nahrungspflanzen.
5. Aber erschließen sich den Bauern dadurch nicht zusätzliche Einnahmemöglichkeiten?
Mogge: Die Investitionen gehen häufig an den Kleinbauern vorbei, weil die politischen Rahmenbedingungen fehlen. Stattdessen nimmt der Anteil von Spekulationen auf Agrarprodukte zu. Eine Studie im Auftrag der Welthungerhilfe hat ergeben, dass 15 Prozent des Preisanstiegs auf dem Getreidemarkt auf solche Spekulationen zurückgehen. Die afrikanischen Staaten, aber auch das deutsche Entwicklungsministerium sollte darauf achten, dass Investitionen aus den reichen Ländern auch wirklich den Menschen vor Ort zugutekommen.