Wladimir Senior starb im Alter von nur 64 Jahren in seiner Heimat Kiew an Krebs - 1986 wurde er nach Tschernobyl abkommandiert.

Hamburg. Den Lebenstraum seiner Söhne, alle WM-Titel im Schwergewichtsboxen unter sich aufzuteilen, durfte Wladimir Klitschko senior gerade noch erleben. Ausgerechnet in Hamburg, wo der eine in Poppenbüttel, der andere in Othmarschen eine Heimat gefunden hat, wurde diese Vision wahr. Und während Wladimir Klitschko junior den Briten David Haye im Volkspark besiegte, wusste er bereits: Der Vater ringt mit dem Tod. Er ließ sich noch einmal in der Asklepios-Klinik Altona behandeln. Gestern erlag der kräftige, ruhige Mann seinem Krebsleiden - mit nur 64 Jahren. In Kiew. Denn sterben wollte er in seiner Heimat.

Die ukrainische Partei von Vitali Klitschko (Udar) teilte gestern den Tod des Vaters auf ihrer Internetseite mit. Es hieß dort, die Gesundheit des früheren Luftwaffenoffiziers habe in den vergangenen Jahren stark unter den Spätfolgen der Atomkatastrophe von Tschernobyl gelitten. Nach der Reaktorkatastrophe 1986 war Klitschko senior zu Aufräumarbeiten in der radioaktiv verseuchten Zone abkommandiert worden. Die Klitschko-Brüder hatten erstmals in ihrem aktuellen Dokumentarfilm über die Erkrankung des Vaters gesprochen.

Früher hatten sie Witze über Tschernobyl gerissen, um den Wahnsinn der Verstrahlung ihrer Heimat und die persönliche Betroffenheit zu überspielen. Beide seien nach der Kernschmelze in Zwangsferien auf die Krim geschickt worden, weil es dort sicherer sei als in Kiew, erzählten sie. "Als ich zurückkam, war ich plötzlich einen halben Meter größer", witzelte Vitali gerne. Der langjährige Klitschko-Trainer Fritz Sdunek kommentierte die Todesmeldung: "Ich bin tieftraurig." Er hatte mit Papa Klitschko zuletzt noch Kontakt. Sdunek war es, der als ganzheitlich denkender Trainer immer auch das Umfeld seiner Sportler beleuchtet und einbezogen hatte. Mit dem besonnenen Wladimir Klitschko sen. und Mama Klitschko Nadja konnte der gleichaltrige Trainer gut. Sdunek war bei ihnen zu Hause, mit ihnen im Urlaub, hat Vater Klitschko die besten Ärzte vermittelt. Zwischenzeitlich hatte sich sein Gesundheitszustand verbessert - da keimte neue Hoffnung auf. Am Ende vergebens.

Der Tod des Vaters trifft beide Klitschkos tief. Mit ihm sind sie schon durch das weite Sowjetreich gezogen, als er noch die Jets der Luftwaffe flog. Der eine Bruder wurde in Kirgisien geboren, der andere in Kasachstan. Die Familie führte quasi ein Vagabundenleben, weil Vater Klitschko an immer neue Stützpunkte kommandiert wurde.

Er war ein pflichtbewusster Mann. Vitali sagte mal, sein Vater habe die Brüder Disziplin gelehrt, seine Mutter, eine Lehrerin, die Künste. Das klingt holzschnittartig. Doch Papa Klitschko war furchtbar stolz auf seine Söhne, die es im Westen geschafft hatten, als das Sowjetreich zerfiel. Die sich nicht für den amerikanischen Extrempromoter Don King entschieden, sondern für den Universum-Stall in Hamburg, nur wenige Flugstunden von Kiew entfernt. Denn alle Klitschkos sind Patrioten. Umso mehr schwoll dem Vater die Brust - ohne es je nach außen zu zeigen -, als Vitali Europameister wurde, vom Kiewer Oberbürgermeister offiziell als Sportheld eine Wohnung geschenkt bekam und die Klitschkos eigentlich hätten umziehen können. Doch Wladimir senior und Nadja lebten vorerst weiter in ihrer Plattenbau-Wohnung am Rande der Stadt. Sie wollten es so.

Die Profikarrieren seiner Söhne verfolgte der Vater mit Wohlwollen. Zu den Kämpfen gingen er und seine Frau aber nicht. Noch stolzer machten ihn die Doktortitel und später der Einsatz der Söhne für die Orangene Revolution in der Ukraine. Der Tod des geliebten Vaters trifft Vitali in der Vorbereitung auf den nächsten Mega-Fight. Am 10. September soll der WBC-Weltmeister in Polen seinen Titel gegen Herausforderer Tomasz Adamek verteidigen. Ob der Termin bestehen bleibt, ist offen.