Ein Italiener als oberster Währungshüter - das ist für viele Deutsche, die sich noch immer mit Wehmut an die Ära der D-Mark erinnern, ein Graus. Doch die Verklärung vergangener Zeiten geht an den Realitäten vorbei. Denn seit Bestehen der Europäischen Zentralbank (EZB) sind die Verbraucherpreise in Deutschland wesentlich stabiler geblieben als zuvor.

Aber auch Vorurteile gegen die Person des designierten EZB-Präsidenten Mario Draghi sind unangebracht. Seine bisherige Karriere gibt keinen Anlass zu dem Verdacht, er könne sich in dem neuen Amt von populistischen oder nationalistischen Motiven leiten lassen. Etliche Experten sehen ihn im EZB-Rat sogar eher auf der Seite der "Falken", also der geldpolitischen Hardliner. Das sollte allen, die sich den früheren Bundesbank-Chef Axel Weber an der EZB-Spitze gewünscht hätten, wenigstens ein kleiner Trost sein.

Zwar hat der noch bis Ende Oktober amtierende Franzose Jean-Claude Trichet in den zurückliegenden Jahren, die von der Finanzkrise geprägt waren, zweifellos überzeugende Arbeit geleistet. Dennoch bleibt für Draghi viel zu tun. Im Idealfall gelingt es ihm, die Notenbank wieder ein Stück unabhängiger zu machen. Denn im Zuge der Schuldenkrise hat sie sich auf Drängen der Politik Aufgaben zuweisen lassen, die man zuvor aus guten Gründen stets abgelehnt hat - so wie den Ankauf von Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten.

Zu beneiden ist Draghi um sein künftiges Amt jedenfalls nicht. Dafür haben sich die Interessen der verschiedenen Mitglieder der europäischen Währungsunion schon viel zu weit voneinander entfernt.