Der Staat kann nicht besser wirtschaften als die Wirtschaft. Deshalb sollte Hamburg die Stromnetze nicht zurückkaufen, sagt der Vattenfall-Manager
Die Bewohner der ehemals besetzten Häuser an der Hafenstraße zeigen ihr Engagement mit einem großen Banner: "Vattenfall abwählen" steht auf einem Bettlaken. Es hängt im dritten Stock am Fenster und weist auf ein neues Bürgerbegehren hin, das in diesen Tagen in Hamburg startet. Nach Meinung der Bewohner an der Hafenstraße und anderer Organisationen, zum Beispiel BUND, Grüne und sogar Verbraucherzentrale, sollen die Energienetze der Stadt zurück in städtische Hand. Der Rückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze zu 100 Prozent bringe angeblich günstigere Preise und mehr regenerative Energien im Netz.
Was wird aber wirklich besser, wenn der Steuerzahler die Netze für einen hohen Milliardenbetrag zurückkauft? In unserer Stadt sehen wir schon heute die günstigsten Strompreise in Deutschland. Das hat wenig mit den Netzgebühren zu tun, deren Obergrenze von der Bundesnetzagentur festgelegt wird. Der Grund für niedrige Strompreise ist der knallharte Wettbewerb in der Stadt.
Vattenfall ermöglicht als Netzbetreiber 215 Anbietern den Zugang zum Stadtnetz und erfüllt damit in vorbildlicher Weise seinen gesetzlichen Auftrag. Dies schließt übrigens auch alle Stromarten mit ein, egal ob grün, blau oder grau - Vattenfall leitet jeden Strom so durch, als wäre es sein eigener.
Hier wird bereits deutlich, dass der Netzbetreiber keinen Einfluss darauf hat, welcher Strom ins Netz kommt. Auch bei den Anschlüssen von EEG-Anlagen erfüllt das Unternehmen seine Pflicht: Jede anschlussfertige Fotovoltaikanlage wird vom Netzbetreiber Vattenfall angeschlossen - ohne Wenn und Aber. Halten wir also fest: Durch die Vorgaben der Bundesnetzagentur kann der Netzbetreiber weder Preise noch den Strommix bestimmen.
Die Frage, ob Vattenfall einen guten Job macht, muss man daher ganz anders stellen. Steht der Strom immer zur Verfügung? Antwort: Die Hansestadt ist weit besser versorgt als der deutsche Durchschnitt. Während Deutschland statistisch 15 Minuten im Jahr ohne Strom auskommen muss, sind es in Hamburg weniger als zwölf. Von dieser guten Versorgung hängen übrigens viele Arbeitsplätze ab. Unternehmen, die auf eine gute und konstante Stromversorgung angewiesen sind, haben sich in der Vergangenheit bewusst gegen Italien und Großbritannien entschieden, da die Ausfallzeiten dort bei 50 bzw. 90 Minuten pro Jahr liegen. Die gute Versorgung kommt aber nicht von ungefähr. Rund 200 Millionen Euro fließen jährlich in Erhalt und Ausbau der Netze.
Mit einem großen Teil soll übrigens das Stromnetz "schlaugemacht" werden. Es muss in Zukunft wissen, wann wo Strom gebraucht wird, wie viel Windstrom gerade vorhanden ist und welche Mengen zusätzlich eingespeist werden müssen, damit jeder die Energie hat, die er braucht.
Wenn also nichts besser wird, warum dann Milliarden Euro für die Netze? Wie beeinflusst das die Sparanstrengungen des neuen Senats, und was würde dann aus Projekten wie der kostenfreien Kita?
Die Initiatoren des Bürgerbegehrens bekümmert diese Fragen wenig. Kein Wort davon, dass man jeden Euro nur einmal ausgeben kann, dass die Schulden durch einen Netzrückkauf zusätzliche Millionen an Zinszahlungen erfordern und andere Projekte für die Hoheit über die Kabel zurückstehen müssen. Auch über das unternehmerische Risiko, das die Stadt damit eingeht, nichts als Schweigen. Seit wann kann eigentlich der Staat besser und effizienter wirtschaften als die Wirtschaft?
Statt in der Sache zu argumentieren, appellieren die Initiatoren an das Bauchgefühl. "Wenn es gegen Vattenfall geht, dann unterschreiben die schon", so stand es kürzlich hier im Abendblatt. Ich kann nur jedem empfehlen, sich genau anzusehen, was und wofür er unterschreibt. Trau, schau, wem?
Pieter Wasmuth, 45, ist Generalevollmächtigter der Vattenfall Europe AG für Norddeutschland