Neuer Stahl sorgt für Probleme beim Bau der Kesseltürme. Risse könnten Fertigstellung des Kraftwerks um mehr als ein Jahr verzögern.
Hamburg. Wegen technischer Probleme wird das Kohlekraftwerk Moorburg später ans Netz gehen als geplant. Ursache sind Risse in den beiden 100 Meter hohen Druckkesseln. Bei routinemäßigen Tests seien "Qualitätsprobleme an den Schweißnähten" aufgetreten, sagte Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier dem Abendblatt und bestätigte damit einen Bericht von "Spiegel Online".
Eigentlich sollte der erste Kessel im kommenden Jahr angefahren werden, das gesamte Kraftwerk mit beiden Kesseln im Jahr 2013 ans Netz gehen. Wie lange sich die Inbetriebnahme nun verschieben wird, ist bisher nicht klar. Vattenfall geht derzeit bei beiden Kesseln von "mehrmonatigen Verzögerungen" aus. Deutschlandweit kämpfen vier Kraftwerke mit ähnlichen Problemen. Wie Stefan Kleimeier bestätigte, seien auch die Kraftwerke in Duisburg-Walsum, Wilhelmshaven und Boxberg betroffen.
In den Kesseln ist ein Hightech-Stahl namens T24 der japanischen Firma Hitachi verbaut worden. Dieser soll nach Informationen von Vattenfall besonders zum Wirkungsgrad und zur Effizienz des Kraftwerks beitragen. Es wird spekuliert, ob der neue Stahl ein Reinigungsmittel nicht verträgt. So seien die Kessel beim Kraftwerk in Duisburg-Walsum mit einer Beize gereinigt worden. Anschließend kam es wohl zu Spannungsrissen an den Schweißnähten. Auch in Hamburg ist noch vollkommen unklar, ob die Schäden repariert werden können oder ob Vattenfall beide Türme abreißen und austauschen muss. Die Untersuchungen seien angelaufen.
Die Branche schaut unterdessen gebannt nach Duisburg, wo die Ingenieure das Kraftwerk seit voriger Woche erneut anfahren und beobachten, ob sie die undichten Stellen im Stahl beseitigen konnten. Während die Herstellerfirma Hitachi davon ausgeht, dass dies "klappen wird", fürchtet ein Anlagenprüfer, dass der Kessel "keine 600 Stunden" standhalten könnte. Auch Fachleute bei den Betreibern glauben, dass das Problem tiefer geht.
Was das Ganze für finanzielle Auswirkungen haben wird, kann Vattenfall bisher nicht beziffern. Klar ist aber, egal, ob repariert wird oder ob neue Kessel gebaut werden müssen: Jeder Tag, den das Kraftwerk später ans Netz gehen wird, kostet den schwedischen Betreiber Geld. Wer dafür aufkommen wird, ist noch unklar.
Weder die Strom- noch die Fernwärmeversorgung der Vattenfall-Kunden in Hamburg ist durch die Verzögerung gefährdet, betont Stefan Kleimeier. Denn bis das neue Kraftwerk ans Netz geht, bleibt das alte Kohlekraftwerk in Wedel in Betrieb - und wohl auch darüber hinaus. Denn von dort müssen die Hamburger mit Fernwärme versorgt werden. Grund sind die Streitigkeiten um die geplante Fernwärmetrasse für das Kraftwerk Moorburg.
Ursprünglich sollte die etwa zwölf Kilometer lange Leitung vom Kohlekraftwerk Moorburg bis zur Pumpstation Haferweg in Altona über ein einfaches Verfahren genehmigt werden. Doch Umweltverbände hatten erfolgreich geklagt. Jetzt braucht Vattenfall ein formales Planfeststellungsverfahren, an dem Bürger und Verbände beteiligt werden müssen. Und das dauert wesentlich länger.
Die ursprüngliche Trasse hätte durch den Grünzug Altonas verlaufen sollen. Besonders gegen das Abholzen von Bäumen hatten die Gegner protestiert und hatten im Gählerpark auch Bäume besetzt. Nun bevorzugt Vattenfall eine Trasse, die entlang der Holstenstraße gegraben wird und dann ab der Max-Brauer-Allee durch den Bertha-von-Suttner-Park verläuft. Als Alternativen sind in den Unterlagen auch Trassenvarianten durch den Schellfischtunnel und auch durch den Gählerpark aufgeführt, die nun ebenfalls geprüft werden sollen.
Mit der Fernwärme aus Moorburg sollen 180 000 Haushalte versorgt werden, die ihre Wärme noch aus dem alten Kraftwerk beziehen, das abgerissen werden soll.
Das wird sich nun wohl noch weiter verzögern. Das begonnene Planfeststellungsverfahren wird erfahrungsgemäß rund zwei Jahre dauern. Ob dann auch schon die Probleme an den Kesseltürmen endgültig behoben sein werden, ist noch vollkommen offen.
Das Kraftwerk Moorburg ist politisch höchst umstritten. Während die CDU-Regierung unter Ole von Beust das Kraftwerk in der heutigen Größe initiiert hatte, wollten die Grünen es noch nach Baubeginn verhindern. Zahlreiche juristische Verfahren zwischen Vattenfall und der Stadt wurden schließlich mit einem außergerichtlichen Vergleich beigelegt.