Waffenstillstands-Angebot setzt den Westen unter Druck
Bei der diplomatischen Offensive des libyschen Despoten Gaddafi, der plötzlich für einen Waffenstillstand wirbt, ist allergrößte Vorsicht geboten. Der Mann hat alles zu verlieren. Glaubt im Ernst jemand, der Revolutionsführer werde sich nach 40 Jahren an der Macht freiwillig ins Exil verabschieden oder gar einem Verfahren vor dem internationalen Strafgerichtshof stellen? Doch nie und nimmer.
Viel spricht dafür, dass der gerissene Taktiker mit seinem Angebot ein wenig Zeit schinden will, um seine unter den Nato-Bomben bröckelnde Herrschaft zu zementieren, während seine Spezialtrupps Jagd auf Oppositionelle machen. Gaddafis Vorstoß zielt außerdem darauf, einen weiteren Keil in die westlich-arabische Koalition der mehr oder minder Willigen zu treiben. Die einen wollen bomben, die anderen den Rebellen Waffen liefern, die Dritten dringen auf Gespräche zur Lösung des Konflikts. Gleichzeitig weiß aber niemand, wer das tyrannische System Gaddafi einmal ersetzen soll. Schließlich existiert weder eine strukturierte Opposition, noch gilt das Militär als stabilisierender Machtfaktor. Und unter den Aufständischen finden sich mehr und mehr militante Islamisten der al-Qaida.
Solange die westlichen Staaten ihren Streit über das richtige Vorgehen in der Öffentlichkeit austragen, wird Gaddafi die Ausweglosigkeit seiner Lage jedenfalls nicht eingestehen.