Julia Tarazi ist heiß verliebt in kalte Genüsse. Sie mag sie nicht nur, sie macht sie auch. Eine Lehre in einem süßen Beruf in einer Eisdiele.
Mit einem Spachtel fährt Julia Tarazi in langsamen, gleichmäßigen Bewegungen über die weiße Masse, die zäh aus der Eismaschine fließt. Beinahe sieht es wie ein Tanz aus. Es ist der leidenschaftliche Einsatz einer echten Eis-Prinzessin: Die 29-Jährige steckt mitten in einer Lehre zur Speiseeisherstellerin. Und sie ist die einzige Auszubildende in diesem Metier in Hamburg.
"Dabei hatte ich nach dem Abitur eine ganz andere Zukunftsplanung", sagt Julia Tarazi. Damals begann sie ein Produktdesignstudium an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Um sich ihr Studentenleben zu finanzieren, jobbte sie bei "Eisliebe" in Ottensen. Und plötzlich änderten sich ihre Vorstellungen vom künftigen Traumberuf: "Ich habe dann schon recht bald gewusst, dass das Eisgeschäft meine Zukunft ist."
Die schlechten Aussichten für Produktdesigner und die Erkenntnis, dass sie von diesem Beruf möglicherweise falsche Vorstellungen gehabt hatte, brachten Tarazi dann dazu ihr Studium abzubrechen. "Ich wollte nicht vor irgendeinem Bildschirm versauern", sagt die junge Frau aus St. Pauli. Vielmehr habe sie sich nach einem handwerklichen und trotzdem kreativen Beruf gesehnt, bei dem auch der direkte Kontakt zu Menschen nicht zu kurz kommt. "Da war die Ausbildung zur Speiseeisherstellerin perfekt. Ich mag die Idee, etwas herzustellen und dann gleich die Reaktion der Kunden zu sehen." Seit vergangenem Herbst ist sie Lehrling.
Aber Eisspezialistin ist sie schon viel länger. "Das ist jetzt meine achte Saison bei ,Eisliebe', ich gehöre quasi schon zum Inventar", sagt sie. Mittlerweile kennt sie die Eigenheiten und Vorlieben vieler Stammgäste. Einer ist ihr besonders im Gedächtnis geblieben. "Der war Geschäftsmann, kam jeden Tag in Anzug und mit Krawatte in den Laden und bestand dann immer auf eine Kugel im Becher mit bunten Streusel - und einem rosa Löffel." Wer jetzt einen filmreifen süßen Flirt über die Theke und die Verführungskraft von cremigem Schoko-Eis vermutet, der liegt falsch: Julia Tarazi ist bereit seit drei Jahren vergeben. Ihr Freund Jan gehört damit zu den glücklichen Menschen, die ständig mit leckerem Eis versorgt werden. Julia verrät: "An manchen Abenden bringe ich ihm nach der Arbeit eine große Portion mit." Die Auswahl fällt ihr dann nicht schwer. "Ich mag fast alle Sorten, die wir haben", sagt sie. Nur Minze und Amarena kommen ihr nicht in die Tüte.
Ansonsten ist die 29-Jährige aber experimentierfreudig. Auch auf Reisen sind die Eisdielen vor Ort immer die erste Sehenswürdigkeit, die sie besichtigt. Im vergangenen Dezember war sie für vier Wochen auf einer Rundreise durch Südostasien. Dort sei Eis noch einmal etwas ganz anderes. "Die haben so viele exotische Früchte, die es hier zwar auch im Großhandel gibt, die frisch von den Plantagen aber ganz anders schmecken." Wenn Julia Tarazi nicht gerade Eis macht oder - natürlich rein berufsbedingt - isst, denkt sie über neue Geschmacksrichtungen nach. "Diese kreative Seite ist mir äußerst wichtig", sagt sie. Momentan arbeitet sie an einer neuen Soße zur Kombination mit Joghurteis. Davon gibt es zwar schon einige, aber zu viele können es ihrer Meinung nach nie werden. "Ich bin eben ein Eisfan!"
Diese Leidenschaft für die süße und kalte Speise ist die wichtigste Qualifikation für den Beruf Eismacher. Das sagt zumindest Tarazis Chef Franz Hansert. Vor zwölf Jahren beschloss der heute 61-Jährige, dass er genug von seiner Arbeit im EDV-Bereich hat, und wechselte in ein völlig anderes Metier. "Und was soll man anderes machen als Eis, wenn man so verschleckt ist wie ich?", sagt er. "Eis essen ist mein Hobby." Und nun auch sein Beruf. Lange habe er gedacht, dass er der Einzige sei, der weite Wege auf sich nehme für den leckersten Krokantbecher und den perfekten Schokoladengeschmack. Aber auch in die "Eisliebe" kämen viel Stammkunden aus weit entfernten Stadtteilen. "Wer einmal süchtig ist, kommt immer wieder."
Das Geheimnis seines Eises? "Gute Zutaten und Frische", sagt Hansert. Kaum ein Produkt würde im Großmarkt gekauft, sondern alles bei den jeweiligen Spezialisten. Außerdem wird das Eis jeden Tag frisch produziert und geht dann direkt in den Verkauf. Deswegen gibt es im Wechsel immer nur zwölf der insgesamt 60 Sorten des Hauses zur Auswahl. "Einige Kunden sagen, unser Eis könne es locker mit dem der Italiener aufnehmen", sagt Hansert und lächelt in einer Mischung aus Stolz und Verlegenheit.
Julia Tarazi ist bereits sein dritter Azubi. Dabei ist Speiseeishersteller erst seit Herbst 2008 ein offizieller Ausbildungsberuf. Im ersten bundesweiten Jahrgang gab es 30 Lehrlinge, im zweiten 40. Frauen und Männern ungefähr gleich viele. 400 Euro bekommen die Lehrlinge im ersten Ausbildungsjahr. Und - wen wundert es - initiiert wurde die Anerkennung der Lehre vom Verband der italienischen Speiseeishersteller. Viele familiengeführte Eisdielen haben ein Problem: Es fehlt an Familie, die den Laden übernehmen will.
"Und bevor hier irgendjemand Fremdes meine "Eisliebe" übernimmt und alles verändert, ziehe ich mir lieber meinen eigenen Nachwuchs heran", sagt Hansert. In spätestens zehn Jahren will er in den Ruhestand gehen. "Ich hoffe, dass einer der jungen Leute, die bei mir ihre Ausbildung machen, den Laden auch mal übernehmen werden."
Julia Tarazi wäre eine geeignete Kandidatin. "Ich möchte schon auf Dauer hier arbeiten", sagt sie ohne Umschweife. Die nötige Gelassenheit hat sie. Oft stehen die Kunden bis raus auf die Straße. Vergangenes Wochenende sogar mehrere Hundert Meter weit. "Aber ich sehe an meiner Theke zum Glück nicht, wie lang die Schlange ist", sagt die 29-Jährige. Zwei junge Männer haben vor ihr die Lehre bei "Eisliebe" schon erfolgreich abgeschlossen, und auch der nächste Azubi wird männlich sein. Einen Nachteil wegen ihres Geschlechts sieht Julia Tarazi nicht. "Man muss schon etwas Kraft haben, um die 20-Liter-Milchkannen zu stemmen, aber sonst können das Frauen ebenso gut wie Männer." Auch unter den Kollegen spiele das Geschlecht keine Rolle. "Hier zumindest nicht. In Italien ist das vielleicht noch etwas anderes."
Hier gibt sich die Abendblatt-Redaktion die Kugel
Von Mango bis Miss Piggy: So kühlen sich Journalisten in der Hansestadt am liebsten ab:
Nienstedten. Wer sich im Westen der Stadt die Kugel geben möchte, isst bei Dante richtig: Hier mischt sich Eislust mit italienischem Flair. Ebenso gut wie die von Stefano Biasi selbst gemachten Sorten ist die Atmosphäre vor dem kleinen Café mit dörflichem Charakter. Genial sind zum Beispiel Mango und Minze (je 1 Euro) - Eiscafé Dante, Nienstedtener Straße 3 c.
City. Das L'Italiana Gelateria in der Europa-Passage ist eine Wucht. Es gibt so viele gute Sorten, dass man sich kaum entscheiden kann. Der absolute Hochgenuss ist das Pistazieneis. Das schmeckt wunderbar nach frischen Nüssen. Die große Kugel ist jeden Cent der 1,10 Euro wert.
Niendorf. Das cremige Pfefferminz-Eis mit Schokostückchen ist bei Siebenhüner einfach zum Dahinschmelzen gut. Besonders lecker schmeckt es beispielsweise in der Kombination mit Buttermilch-Kirsch. Eine Kugel kostet 90 Cent. - Eiscafé Siebenhüner, Paul-Sorge-Straße 140.
HafenCity. Das Einzige, was hier fehlt, sind Sitzplätze - ansonsten kann man bei Miss Sophie wunderbares dänisches Softeis (ab 2 Euro) genießen. In dem pinkfarbenen Eissalon dreht sich alles um die sahnige Sünde aus dem Norden. Wie wär's mit Vanille-Softeis mit frischer Erdbeersoße und extra Marshmallow-Schaum? Köstlich sind auch Sorten wie Lakritz oder Karamel-Nougat (je 1,50 Euro pro Kugel) - Miss Sophie, Am Kaiserkai 63.
Bergedorf. Ganz viel Sahne, Früchte und Schokolade: Der Geschäftsführer des Eiscafés Ciprian, Dario Ciprian, legt Wert auf seine italienische Familientradition. Er führt die drei Cafés in Hamburg in vierter Generation. Am Montag eröffnet die neue Filiale Am Kaiserkai 19 in der HafenCity. Eine süße Sünde sind die Sorten Cookies und Kirschjoghurt (je 1 Euro). Mmmh ...- Eiscafé Ciprian, Bergedorfer Markt 3.
Wellingsbüttel. Zarte Schokoflocken gehen mit dem Aroma frischer Orangen eine fruchtig-sinnliche Verbindung ein. Unwiderstehlich: "Orange mit Schokostückchen" stammt wie alle, teilweise sehr ausgefallenen Sorten aus der hauseigenen Produktion von Katja's Eis (Kugel 90 Cent). - Rolfinckstraße 12a, weitere Filialen in Alsterdorf, Winterhude und Westerland auf Sylt.
Eimsbüttel. Bei Eiszeit gibt es exotische Sorten mit ungewöhnlichen Namen und köstlichem Geschmack. Erst beim Schlecken gibt die süße Kugel (je 90 Cent) mit Erdbeergeschmack ihr Geheimnis preis: Gummibärchen, zwar leicht gefroren, aber sehr lecker. Auch gut: Miss Piggy: eine herrliche Kalorien-Schweinerei mit Erfrischungsstäbchen. - Müggenkampstr. 36 und viermal in Hamburg.