Dann hat sie trotz der jüngsten Wahlschlappen sogar eine Chance, bei der Bundestagswahl 2013 den Kanzler zu stellen
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, heißt es im Sprichwort. Bei der SPD ist es umgekehrt. Obwohl sie bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz enttäuschend abschnitt, hat sie seitdem die größten Chancen, nach der Bundestagswahl 2013 den Kanzler zu stellen. Sie kann sogar hinter Merkels CDU/CSU landen, solange nur Rot-Grün gemeinsam stärker als Schwarz-Gelb ist. Und danach sieht es zurzeit aus. Allerdings ist die SPD inhaltlich und personell noch weit davon entfernt, die Führung in der Politik übernehmen zu können. Die Favoritenrolle ist ihr durch die Erfolge ihres grünen Partners in den Schoß gefallen, sie muss sie sich nun nachträglich verdienen. Das werden zwei wenig vergnügliche Jahre harter Arbeit.
Schon vor der Katastrophe von Fukushima hat kein Thema Deutschland politisch so aufgewühlt und polarisiert wie die Atomkraft. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) scheute diese Polarisierung nicht, sie setzte die Verlängerung der Reaktor-Laufzeiten durch, verprellte damit die Grünen und schloss Koalitionen mit ihnen gleich noch als "Hirngespinst" aus. So trieb sie die Grünen fest in die Arme der SPD. Zumindest so lange, wie es für Rot-Grün gut läuft.
Fukushima wurde für Merkel auch zur politischen Katastrophe. Sie hechelt seitdem in der Atompolitik, mit der kümmerlichen FDP im Schlepptau, Rot-Grün hinterher. Das Atomthema wird vermutlich auch bei der Bundestagswahl noch entscheidend sein, allerdings nicht mehr in der einfachen Version: Reaktoren möglichst schnell abschalten! In zwei Jahren dürfte es um die viel komplexere "Energiewende" in Deutschland gehen, von der die meisten Wähler derzeit wohl noch keine rechte Vorstellung haben.
Diese Wende kann von den Grünen als treibende Kraft nicht allein bewerkstelligt werden. Denn es geht dabei auch um steigende Energiekosten für alle. Normalverdiener, Rentner und sozial Schwache werden sie besonders schwer verkraften können. Und es geht um Arbeitsplätze in der energieintensiven Industrie, deren Kosten steigen werden. Themen für eine breit aufgestellte Volkspartei, die die Grünen nicht sind.
Die SPD war es einmal. Soziale und wirtschaftliche, später auch ökologische Ziele gleichzeitig im Blick zu haben und in ein richtiges Verhältnis zu bringen, das war ihre Stärke. Doch seit die Linkspartei versucht, ihr das Soziale wegzunehmen, traut sich die SPD nicht mehr, wirtschaftliche Kompetenz vorzuzeigen. Doch die wird sie für die Energiewende brauchen. Wenn Rot-Grün bei der Bundestagswahl 2013 aus guten Umfrageergebnissen wirklich einen Wahlsieg machen will, dann muss die SPD als größerer Partner deutlich zulegen. Dann muss sie wieder ein Wählerspektrum von links bis weit in die bürgerliche Mitte abdecken, dann muss sie sich die wirtschaftlich-soziale Meinungsführerschaft zurückholen.
Zwei Sozialdemokraten können das schaffen: Olaf Scholz und Peer Steinbrück. Der Hamburger Bürgermeister hat mit der alten Kernkompetenz seiner Partei gerade einen wirklich großen Wahlsieg errungen. Scholz entwickelte als Arbeitsminister in der Großen Koalition jenes Kurzarbeit-Modell, mit dem die deutschen Unternehmen so gut durch die Finanzkrise gekommen sind. Das qualifiziert ihn zum Vordenker in den sozialen Fragen, die die Energiewende aufwerfen wird.
Steinbrück ist seit den Zeiten der Großen Koalition für viele immer noch der Traum-Finanzminister. Sein Hang, rücksichtslos offen zu reden, und seine Bereitschaft, sich für seine Ziele auch mit starken Gegnern anzulegen, machen ihn in den Augen mancher Wähler gar zu einem Anti-Politiker mit fast Guttenberg-ähnlichem Status. Als Kanzlerkandidat, als der er immer wieder ins Gespräch gebracht wird, könnte Steinbrück dieses Ansehen leicht verlieren, weil er dann zu viele Strömungen in der Partei abdecken müsste. Nützlicher wäre es für die SPD vermutlich, er würde Finanzminister werden.
In den beiden Jahren bis zur Bundestagswahl wird die SPD von vielen Wählern nicht mehr als Oppositionspartei mit einer gewissen Fehlertoleranz betrachtet werden, sondern immer mehr als mögliche Kanzler-Partei. Einem solch kritischen und anspruchsvollen Blick kann sie zurzeit noch nicht standhalten. Sie muss programmatisch zur Partei für die wirtschaftlichen und sozialen Aspekte der Energiewende werden. Die Politiker dafür hat sie, sie muss nur auf sie setzen.