Von wegen kühle Schöne des Nordens. In Hamburg war es gestern zeitweise wärmer als in Madrid oder Athen. Ein Hauch südländischer Lebensart.
Hamburg. "Will Dir den Frühling zeigen, der hundert Wunder hat. Der Frühling ist waldeigen und kommt nicht in die Stadt." Einspruch, Rainer Maria Rilke! Was sich gestern in Hamburg einstellte, war ein besonders famoses Glücksgefühl. Ein Hauch südländischer Lebensart liebkoste alle Sinne. Dolce Vita in der Freien und Sonnenstadt. Zwar stand sie am Vortag bereits im Kalender, doch hielt die schöne Jahreszeit recht unvermittelt Einzug. Hurra, der Lenz ist da.
Nicht nur an der Alster waren Bankplätze besetzt, Mutige wagten ein erstes Sonnenbad auf den Rasenflächen. Von grauer Wintertristesse Wachgeküsste flanierten durch die Mönckeberg- und Spitalerstraße. Im Hirschpark zwitscherten die Vögel, bei Planten un Blomen machten Forsythien ihrem deutschen Namen Goldglöckchen alle Ehre. Nicht nur Optimisten meinen, einen hellgrünen Flaum in Hecken und Sträuchern zu erkennen. Und wer nach Stärkung für die anstehende Frühlings-Diät verlangt, konnte sich die Kugel geben: An Eisdielen stand die Kundschaft Schlange. An der Glacischaussee kurbelten gut gelaunte Autofahrer die Seitenscheiben herunter, erfreuten sich satt blühender Krokusse auf den Verkehrsinseln und suchten Opfer für den Premierenflirt der neuen Saison.
+++ Tipps: So könnten Sie den Frühling in Hamburg begrüßen +++
Auch wenn man den März nicht vor dem Monatsende Mitte kommender Woche loben sollte, kann uns niemand die Gewissheit rauben: Erst der Frühling und dann der Sommer nahen mit großen Schritten. Heute geht die Sonne schon um 6.18 Uhr auf, und erst um 18.34 Uhr wird sie sich wieder verabschieden. Wen kann bei so viel Licht das bisschen Nachtfrost betrüben, der fürs Wochenende angesagt ist. Angeblich sollen sich am Sonnabend sogar ein paar weiße Flöckchen blicken lassen. Doch bereits am Sonntag, so die Prognose, werden die Wolken weichen und blauem Himmel Platz machen. Passend zum Frühlings-Dom.
Da der Winter wohl noch nicht restlos kapituliert hat, gilt als Gebot der Stunde: Carpe diem, nutze den Tag! Sei frohen Mutes Zeuge, wie die Natur wachgeküsst wird, es überall blüht und zirpt. Werde zum Sonnenanbeter auf zwei Beinen! Wer es partout nicht abwarten kann, beginnt im Garten mit der Aussaat und setzt die ersten Steckpflanzen. Hobbygärtner sind nun in ihrem Element und zählen die Tage, bis der Ginster sich von seiner besten Seite zeigt. Wer lieber passiv in der relativen Wärme schwelgt, findet am Wasser ideale Aussichtspunkte. Genießer der ersten Stunde schätzen den Altonaer Balkon oder die Krugkoppelbrücke.
Notorischen Schwarzsehern sei ein Blick ins Internet empfohlen: In Madrid und Athen war es gestern kälter als in Hamburg. Da behaupte also keiner, dass die kühle Schöne des Nordens nicht auch südliche Züge offenbaren kann. Was nicht zwangsläufig nur mit dem Wetter zu tun haben muss.