Genau ein Jahr nach dem Urteil zu Hartz IV sei Regierung und Opposition empfohlen, die Vorgaben der Verfassungsrichter noch einmal zu studieren: Der Staat möge die Stütze für Langzeitarbeitslose und deren Angehörige in einem transparenten Verfahren so berechnen, dass diese davon leben können. Eine Erhöhung des Regelsatzes hat Karlsruhe ebenso wenig verlangt wie die Einführung von Mindestlöhnen. Die Verhandlungen, die jetzt gescheitert sind, haben sich weit davon entfernt.
Der Verdacht, dass die Parteien ihre Lieblingsprojekte auf den Tisch legen, um sich im Superwahljahr zu profilieren, liegt nahe - und trifft vor allem die Opposition. Die Empörung der SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig, bisher das freundliche Gesicht der Blockade, war reif für die Bühne. Die SPD muss sich fragen lassen, warum sie plötzlich den Regelsatz zur Priorität erhob - und auf einen symbolischen Nachschlag pochte. Eines ihrer Berechnungsmodelle sah eine Erhöhung um sechs Euro mehr vor.
In den 90er-Jahren hat die SPD mit Blockadepolitik den Machtwechsel vorbereitet. Allerdings sind Gabriel und Schwesig nicht Schröder und Lafontaine. Im Übrigen: Der Umfrage-Vorsprung von Rot-Grün auf Schwarz-Gelb ist in den Wochen quälender Hartz-Verhandlungen auf einen Prozentpunkt zusammengeschrumpft.