Die Quote der männlichen Erzieher in Hamburg stieg zwar leicht, aber die Arbeit in Kitas ist weiterhin eine Frauendomäne. Das soll geändert werden.
Hamburg. Den ganzen Tag im Büro sitzen, womöglich mit Schlips und Kragen, "das ist einfach nichts für mich", sagt Torben Zillmer. Männliches Statusdenken ist dem 29-Jährigen fremd, er definiere sich nicht über das Sozialprestige seines Berufs. Vielmehr genieße er die Freiheit, sich bei der Arbeit nicht verkleiden zu müssen - und etwas Sinnvolles zu tun. Deshalb entfacht er professionell Lagerfeuer, bastelt Drachen, balgt mit Kindern und geht in Alltagsklamotten zur Arbeit. Nebenbei nimmt er eine gesellschaftlich immer wichtiger werdende Rolle wahr: Er ist staatlich anerkannter Erzieher. Der einzige Mann in der Kindertagesstätte Markusstraße, einer von lediglich 1088 in Hamburgs Kitas.
Nach Ansicht von Politik und Experten gibt es aber immer noch zu wenige männliche Bezugspersonen in dieser traditionellen Frauendomäne. In den Kitas ist die Zahl der Erzieher nach Angaben des Statistikamts Nord zwar leicht gestiegen - mit einer Männerquote von rund zehn Prozent rangiert die Hansestadt weit über dem Bundesdurchschnitt (3,6 Prozent). Aber nicht nur Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) und Carola Veit, sozialpolitische Sprecherin der SPD, fordern mehr männliche Bezugspersonen in Kitas und Grundschulen. Auch Frank Beuster, Autor des Buches "Die Jungenkatastrophe", erneuert seinen Appell, mehr männliche Vorbilder in den Erziehungsapparat zu holen, um veränderten Rollenansprüchen gerecht zu werden.
Sozialsenator Wersich sagte: "Obwohl wir im Bundesvergleich schon weit oben stehen, ist anzustreben, dass mehr Männer in Kitas und in Grundschulen arbeiten." Von einer Männerquote halte er indes nichts: "Wir setzen eher auf Projekte, die die Bereitschaft von jungen Männern erhöhen, einen sozialen Beruf wie den des Erziehers einzuschlagen." Ein Anfang sei mit dem EU- und Bundesprojekt "Mehr Männer in Kitas" gemacht.
Auch für Carola Veit ist eine Männerquote nicht das geeignete Mittel, um den Erziehungsbereich geschlechterspezifisch ausgewogener zu gestalten. "Im Gegensatz zur diskutierten Frauenquote, bei der es darum geht, dass Frauen in Führungspositionen drängen, aber oftmals nicht gelassen werden, haben Männer erst gar keine Ambitionen, in die Kitas zu gehen." Ein veraltetes Bild lasse den Erzieherberuf vielfach unattraktiv erscheinen. Der hohe Bildungsanspruch sei wenig bekannt - schlechte Entlohnung und geringe Aufstiegschancen dafür umso mehr. "Deshalb kann eine Steigerung des Männeranteils in Kitas nur mit politischer Unterstützung umgesetzt werden." Auch Veit will mehr Männer in den Kitas.
Gleiches gelte für Grund- und weiterführende Schulen, sagt Erziehungsexperte und Lehrer Frank Beuster. Denn an Grund-, Haupt- und Realschulen sinkt der Männeranteil beim Lehrpersonal sogar: Waren es im Jahr 2000 noch 21,4 Prozent, so sind es laut Schulbehörde aktuell noch 17,5 Prozent. "Ziel muss es sein", sagt Beuster als einer von lediglich zwei Männern an der Stadtteilschule Bergstedt, "eine Ausgewogenheit im Erziehungspersonal zu erreichen." Diese Ausgewogenheit sei nicht nur breiter gesellschaftlicher Konsens, sie werde auch von den weiblichen Kollegen unterstützt. Allerdings sehe die Realität anders aus. Männliches Lehrpersonal sei die Ausnahme. Dabei lägen die Vorteile auf der Hand, denn letztlich würden sowohl das Kollegium als auch Jungen und Mädchen profitieren. "Männer haben ein anderes Konsequenzverhalten und insgesamt eine andere Ansprache - Kolleginnen empfinden das oft als Entlastung."
In der Kita Moorwisch in Lurup wird das bereits gelebt. In einem 25er-Kollegium arbeiten sieben Männer. "Und die bringen einfach eine ganz andere Stimmung ins Team", sagt Anne Spiecker, stellvertretende Leiterin der Kita. "Sie sind nicht nur wichtige Bezugspersonen für die Jungs, sondern verändern auch den Umgang unter uns Frauen. Insgesamt ist das eine sehr positive Erfahrung." Zuvor habe die Kita gezielt nach männlichem Personal gesucht, um Erziehung nicht mehr allein in weibliche Hände zu legen.
Es gehe nicht um besser oder schlechter, "Männer sind eben andere Erzieher", sagt Jaro Kos, 38, der in der Kindertagesstätte Hohenbuchen in Poppenbüttel arbeitet. Sie seien weniger emotional und gelassener, was Mutter Undine Luchterhans wertschätzt: "Ob Primaballerina oder Kung-Fu-Meisterin, Mädchen dürfen alles sein", sagt die 43-Jährige. "Jungen haben es oft schwerer. Deshalb freut es mich, wenn es hier männliche Vorbilder gibt."
Als solches versteht sich Torben Zillmer in der Kita Markusstraße höchstens bedingt, denn er sei nicht der "prototypische Mann". Aber die Kinder sind da sicher anderer Meinung.