“Gorch Fock“-Affäre zeigt, wie wichtig Kontrolle ist.
"Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfaulen", sagte der aufstrebende CSU-Politiker Franz Josef Strauß 1949 mit Blick auf den von Deutschen angezettelten, verheerendsten Krieg der Menschheitsgeschichte. Wenige Jahre später war Deutschland wieder bewaffnet - und Strauß Verteidigungsminister.
Das Verhältnis Nachkriegsdeutschlands zu seiner Armee ist stets von Widersprüchen gekennzeichnet gewesen; denn anders als bei den meisten Nato-Partnern ist unsere militärische Tradition durch die NS-Zeit gründlich gebrochen worden. Die Bundeswehr wurde bewusst als Parlaments- und Wehrpflichtarmee konzipiert, um den politischen Primat zu gewährleisten und die Streitkräfte tief in der Gesellschaft zu verankern. Eine soziale Abschottung wie in der Reichswehr der Weimarer Republik sollte unbedingt verhindert werden.
Die Wandlung einer nur übenden Bundeswehr zu einer Einsatzarmee im Krieg bei gleichzeitiger Aussetzung der Wehrpflicht erfordert ein Höchstmaß an Kontrolle seitens der Politik. Und sie erfordert hervorragende Truppenführer - von denen die Bundeswehr auch viele hat. Die Vorgänge auf der "Gorch Fock" zeigen aber das Dilemma. Eine Einsatzarmee, die sich mit den Taliban auseinandersetzen soll, muss gründlich und hart ausgebildet werden. Wer sich nicht schleifen lassen will, sollte nicht Soldat werden. Andererseits wäre die Grenze dann überschritten, wenn überforderte Kadetten in die Takelage genötigt würden. Dies ist für jeden Ausbilder eine Gratwanderung. Doch eine ganz andere Gefahr lauert in jenem arroganten und unkameradschaftlichen Korpsgeist, von dem Teile der Stammbesatzung des Schiffes erfüllt zu sein scheinen. Der abgelöste Kommandant Schatz mag ein verdienter und fähiger Marineoffizier sein - doch falls es zutrifft, dass er Offiziersanwärter nach dem Todessturz an Bord "minderwertiges Menschenmaterial" genannt hat, dann wäre nicht nur seine rasche Enthebung durch Verteidigungsminister zu Guttenberg gerechtfertigt. Dann wäre höchste Vorsicht geboten - denn dies ist eine Formulierung wie aus dem "Wörterbuch des Unmenschen". Die Bundeswehr ist insgesamt eine ausgezeichnete Armee; dass auch sie einen gewissen Korpsgeist haben darf und muss, ist unstrittig.
Doch angesichts der Wandlung zu einer Berufsarmee muss die politische und militärische Führung sicherstellen, dass dieser Geist eines Tages nicht wieder einen menschenverachtenden und antizivilen Charakter annimmt.