In der erfrischenden Jugendlichkeit des Verteidigungsministers steckt auch die Gefahr der Unreife. Fast möchte man ihm sinkende Beliebtheitswerte wünschen
Er hat viel gewagt und, wie es aussieht, mal wieder gewonnen. Doch der Sieg hat Schrammen. Mit der Suspendierung des Kapitäns der "Gorch Fock" ist es Karl-Theodor zu Guttenberg zwar gelungen, sich erneut als entschlossener Verteidigungsminister zu präsentieren, der schwierige Lagen jederzeit in den Griff bekommt. Aber Guttenbergs Umgang mit dem Offizier, so schlimm die Missstände auf dem Segelschulschiff offenbar auch gewesen sind, war nicht souverän und nicht fürsorglich genug.
Es war halt eine Nacht-und-Nebel-Aktion, die in einem funktionierenden Verteidigungsministerium nie hätte nötig werden dürfen. Die Vorfälle auf der "Gorch Fock" hätten wie die Todesumstände des Soldaten in Afghanistan dem Minister viel früher bekannt sein müssen. Beide Fälle haben sich gemeinsam nur deshalb zur Krise entwickelt, weil sie von der Bundeswehr nicht professionell gehandhabt wurden.
Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist der Senkrechtstarter der deutschen Politik, seine Beliebtheitswerte in den Meinungsumfragen erreichen schwindelnde Höhen. Der 39-Jährige hat sie sich verdient durch Mut zum Handeln, Mut zur eigenen Meinung und Mut zum offenen Wort. Mit jugendlichem Schwung und jugendlicher Selbstgewissheit ging er in seinen ersten Ministerjahren die Probleme an. Ein Segen für die Bundeswehr, die so manchen mutlosen Minister gesehen hat, der seine Amtszeit nur irgendwie skandalfrei überstehen wollte. Dass die Deutschen sich wieder für ihre Armee interessieren, dass vielen das Schicksal der Soldaten in Afghanistan nahegeht, ist auch ein Verdienst des Ministers Guttenberg.
Doch in der Jugendlichkeit steckt auch die Gefahr der Unreife. Gerade weil seine persönlichen Auftritte so gut ankommen, setzt Guttenberg möglicherweise zu sehr auf dieses Stilmittel. Und er hat zu wenig unternommen, die Bundeswehr so zu verändern und zu formen, dass forsches Minister-Eingreifen nicht mehr nötig ist. Will er den Umbau der Armee vollenden, dann muss er lernen, unnötige Risiken zu vermeiden. Dann muss er als Politiker erwachsen werden.
Unreif, ohne Gespür für die richtige Wortwahl war Guttenberg zuletzt im Umgang mit politischen Gegnern und Partnern. Kritik der Opposition fand er "infam" und "unanständig", dabei war sie nur hart.
Noch schlimmer traf es Außenminister Guide Westerwelle (FDP) im Kabinettstreit um den Abzugstermin aus Afghanistan. "Einen elanvollen, ehrgeizigen Vizekanzler sollte man nie bremsen", verhöhnte ihn Guttenberg. Das war ungehörig, so schafft man sich Feinde fürs Leben. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Westerwelle übrigens recht gegeben. Für sie ist Guttenberg zu Beginn des Wahljahrs 2011 ein weiterer Sorgen-Minister, den sie öffentlich stützen muss.
Fast möchte man Karl-Theodor zu Guttenberg wünschen, dass seine Beliebtheitswerte mal ein wenig absinken. Das ist die wichtigste Erfahrung, die ein Politiker machen muss, um erwachsen zu werden. Denn es ist in der Politik so wie in allen anderen Lebenslagen: Solange der Rausch anhält, ist es aussichtslos, den Berauschten vor seinen Folgen und seinem Ende zu warnen.
"Beliebtheit ist auch ein Machtfaktor", hat Kabinettskollege Norbert Röttgen (CDU) dem Verteidigungsminister attestiert. Aber Beliebtheit ist der rätselhafteste und vergänglichste Wert von allen. Vor etwa zehn Jahren gab es schon einmal einen jungen Unions-Politiker, der in den Umfragen weit oben schwebte: den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Auch Wulff tat sich damals - wie jetzt Guttenberg - gelegentlich schwer, die Bodenhaftung zu behalten. Irgendwann sanken die Werte wieder. Als Wulff letztes Jahr für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte, galt er vielen, die ihn seinerzeit angehimmelt hatten, nur noch als biederer Parteisoldat und Merkels Strohmann.
Aber Wulffs Geschichte hat ein gutes Ende gefunden: Er war im Lauf der Jahre als Politiker erwachsen geworden, hatte sich Können und Substanz angeeignet. Deshalb hat er das neue Amt schnell in den Griff bekommen, die Beliebtheitswerte steigen wieder.
Guttenberg sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Eine kleine, aktuelle Meldung deutet darauf hin, dass er den Weg zur Einsicht einschlägt. Er sagte die Teilnahme an der Verleihung des Karnevalsordens "wider den tierischen Ernst" ab, mit Hinweis auf die schwierige Lage in Afghanistan. Die war zwar auch schon schwierig, als Guttenberg den Orden akzeptierte. Aber immerhin, ein erster Schritt.