Er ist relativ klein an Statur, neigt nicht zum glamourösen Auftritt, und übers Wasser gehen kann er auch (noch) nicht.
Dennoch wird Olaf Scholz von der SPD geradezu vergöttert. Mit nahezu 100 Prozent wählen ihn seine Genossen zum Spitzenkandidaten, über das Wahlprogramm wollen sie gar nicht diskutieren, und die vom Parteichef präsentierten Wirtschaftsbosse werden gefeiert, weil der eine ein Herz für Arbeitnehmer hat und der andere fünf Töchter von einer Frau mit Migrationshintergrund.
Nachfragen zu Inhalten? Debatten über Personal? Fehlanzeige. Natürlich sehen es einige Sozialdemokraten kritisch, dass Frank Horch zum Atom-ausstieg, zur Schulpolitik oder zu Studiengebühren bislang alles andere als SPD-Positionen vertrat - aber sie halten ihren Mund. Nichts soll die Rückkehr ins Rathaus gefährden. Es ist verständlich, dass die Genossen nach Jahren der Querelen um geklaute Stimmzettel, nach Grabenkämpfen in Kreisverbänden und dem Rauswurf ihres Sprechers die von Scholz wiederhergestellte Harmonie genießen, dass sie den glänzenden Strategen unterstützen, weil alles, was er bislang anpackte, die Umfragewerte verbessert und damit die Wahrscheinlichkeit auf einen Wahlsieg erhöht hat.
Aber die Hörigkeit der Partei gegenüber ihrem Vorsitzenden birgt auch eine Gefahr - die CDU hat es vorgemacht. Auch sie ist ihrer Galionsfigur Ole von Beust lange geradezu willenlos gefolgt, weil er allein für den Erfolg stand. Widerspruch wurde unter dem Deckel gehalten, Parteitage waren nur zum Abnicken da. Doch als Beust ging, brach das System zusammen, die Partei steht vor einem Scherbenhaufen. Will die SPD das verhindern, sollte sie sich emanzipieren und weniger berauschen. Dann fällt der Kater, der so oder so eines Tages kommt, weniger schmerzhaft aus.