"Hinterm Horizont" heißt das Udo-Lindenberg-Musical, das am Donnerstag Premiere in Berlin hatte. Der Titelsong daraus begleitet mich schon seit dem Jahreswechsel: "Hinterm Horizont geht's weiter, ein neuer Tag, hinterm Horizont immer weiter, zusammen sind wir stark ...!" In meinem Silvestergottesdienst war das der Hit. Seitdem habe ich den Refrain im Ohr. Ein Ohrwurm. Beinahe wie eine Losung für das neue Jahr, wie ein Versprechen: Das Leben geht weiter, über die Grenze hinaus, bis zu der ich sehen und verstehen kann! "So was Großes geht nicht einfach so vorbei ..."

Möge es so ein! Auch wenn mich manchmal die Angst anfliegt, dass es nicht weitergeht und das Dunkle siegt: Alle fünf Sekunden stirbt ein Mensch an Hunger, aber die Politik tut weitaus weniger für die Rettung der Menschen und der Erde als für die Rettung der Wirtschaft. Das Bild des im Dezember vor den Weihnachtsinseln gesunkenen Flüchtlingsschiffes geht mir nicht aus dem Herzen. Die schwere Krankheit einer Freundin trifft auch mich.

Gründe, schwarz zu sehen, gibt es genug. Man kann tun, was menschenmöglich ist: Wach sein mit offenen Augen für Leid und Unrecht, den Mund aufmachen, den aufrechten Gang üben, sich einsetzen. Aber manchmal geht einfach nichts mehr.

Und dann? Hinterm Horizont geht's weiter?

Eine junge Frau ist schwanger. Im sechsten Monat wächst das Kind nicht mehr. Die Ärzte geben es verloren. Die Mutter hält dagegen. Sie will sich nicht abfinden mit dem Tod. Es wäre das zweite Kind, das sie verliert. Sie will es nicht hergeben. Sie bleibt im Krankenhaus. Nachts betet sie, das heißt, mehr schreit sie und weint und beschwört Gott, ihr das Kind zu lassen. Das medizinisch Unmögliche geschieht. Das Kind wächst wieder. Es wird gesund geboren. "Es grenzt an ein Wunder", sagt der Arzt, "medizinisch lässt sich das nicht erklären."

Es gibt Wege jenseits unseres Horizontes. Es gibt Möglichkeiten, die wir nicht sehen, Kräfte hinter dem Dunkel und unter den Tränen, die das Blatt wenden können. Gott sei Dank.

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