Udo Pollmer, 56, ist Lebensmittelchemiker und Fachbuchautor zur Ernährung.

Hamburger Abendblatt:

1. Haben Sie als Lebensmittelchemiker Ihren Speiseplan nach den Meldungen über Dioxin in Futtermitteln verändert?

Udo Pollmer:

Nein, warum sollte ich denn?

2. Immerhin sind viele Verbraucher wegen erhöhter Werte beunruhigt und machen sich Sorgen, Sie aber nicht?

Pollmer:

Die erhöhten Dioxin-Werte orientieren sich in diesem Falle doch nicht daran, was "riskant" ist, sondern was bei einer ordentlichen Produktion einzuhalten wäre. Das ist der Grund, warum in einer Leber fast zehnmal so viel Dioxin sein darf wie in "Mischfettsäuren". Das irritiert zwar viele, die glauben, dass eine Höchstmenge bereits die Grenze ist, die Eier riskant macht. Aber wenn Sie doppelt so viel Dioxin im Fisch haben, stört das niemanden, weil die Höchstmenge für Fisch höher liegt.

3. Wird das Thema Dioxin von Politikern und Verbraucherschützern überschätzt?

Pollmer:

Bei der Politik gilt die Regel, "wir halten den Finger in die Luft und schauen, woher der Wind weht", und damit fängt man dann Stimmen. Die Dioxin-Gehalte in Lebensmitteln haben sich in den letzten 20 Jahren etwa halbiert. Insofern gibt es keinen Grund zur Panik. Da ist einer bei Rot über die Ampel gefahren, und den hat man erwischt. Und wenn wir wirklich ehrlich sein wollen, dann müssen wir auch sagen, dass diesen "Skandal" die Futtermittelindustrie selbst herausgefunden und mitgeteilt hat. Es war nicht die Lebensmittelüberwachung.

4. Sollen sich die Verbraucher also keine Sorgen machen?

Pollmer:

Wer Angst hat, hat Angst und macht alles, was seine Angst mindert, egal ob es wirksam ist. Das ist das Problem. Wenn man den Verbrauchern einredet, es bestünde Gefahr, dann haben viele Angst, und sie ändern für 14 Tage ihr Kaufverhalten. Als Folge des Dioxin-Skandals wurden Bio-Eier in Massen gekauft. Dabei weiß jeder, der mit der Materie vertraut ist, dass wir bei der Freilandhaltung und damit in besonderem Maß bei Bio höhere Dioxin-Werte finden als bei einer Haltung in Ställen. Einfach deshalb, weil das Dioxin auch in den Weiden steckt.

5. Also besser auch keine Bioprodukte mehr essen?

Pollmer:

Kürzlich wurden Biobetriebe, die Rindfleisch auf der Weide erzeugen, mit Verkaufsverboten belegt, weil sie die Grenzwerte überschritten. Das ist toxikologisch ebenso belanglos wie bei den Eiern! Ich halte es für gefährlich, Ultraspuren irgendwelcher Rückstände zu dämonisieren. Bei konsequenter Anwendung der Höchstmengenregeln dürfte eine Freilandhaltung in Deutschland nicht mehr zu realisieren sein. Daran sehen Sie, wie weltfremd die ganze Diskussion ist.