Eine Hamburger Studie erhellt die Situation alternder Drogenabhängiger. Jeder fünfte in Entzugskliniken ist über vierzig.

Hamburg. „Rentner dealte mit Heroin“ titelte eine norddeutsche Zeitung vor einigen Monaten. 67 Jahre alt war der Mann, den die Polizei im Hamburger Stadtteil Fuhlsbüttel geschnappt hatte. Das Durchschnittsalter der Menschen, die von harten Drogen abhängig sind, steigt kontinuierlich, wie europaweite Untersuchungen belegen. Ihre Situation hat jetzt die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen gemeinsam mit dem Uni-Zentrum für Suchtforschung untersucht. In der Hansestadt fehle eine spezielle Altenpflegeeinrichtung, lautet das Fazit.

Die EU-Drogenbeobachtungsstelle (EBDD) hat in ihrem Jahresbericht 2010 festgestellt, dass bereits jeder fünfte in Entzugskliniken über vierzig Jahre alt ist. „Gemeinhin geht man davon aus, dass Menschen in den Dreißigern den Drogenkonsum einstellen, aber die Daten belegen, dass dies nicht immer der Fall ist“, erklärte Wolfgang Götz, Direktor der EBDD. Auf Platz eins der konsumierten Drogen in Europa stehe Cannabis, danach folge Kokain.

Von den rund 7.800 Männern und Frauen, die in den letzten drei Jahren von der Hamburger Suchtkrankenhilfe betreut wurden, war etwa jeder Vierte älter als 45 Jahre. Im Jahre 2015, so die Prognose, wird es 500 bis 800 über 55-Jährige geben, die von harten Drogen abhängig sind. Dass Junkies immer älter werden, liege vor allem an der besseren Gesundheitsversorgung. Insbesondere die neuen Behandlungsmethoden für HIV-Infizierte und Aidskranke haben das Sterberisiko in jungen Jahren erheblich verringert.

Wer über Jahre hinweg harte Drogen nimmt, altert physisch jedoch schneller. Das harte Leben in der Drogenszene mit Phasen von Obdachlosigkeit fordert seinen Preis. Alterskrankheiten wie Diabetes mellitus, Osteoporose und Demenz setzen daher in der Regel früher ein als bei anderen Menschen. Für die Hamburger Untersuchung setzten die Suchtexperten die „Seniorengrenze“ bei 45 Jahren an, weil angenommen wird, dass Drogenabhängige von ihrer körperlichen Verfassung her rund 20 Jahre älter sind als andere.

Die Wohnsituation ist laut der Hamburger Studie für die meisten älteren Drogenabhängigen zufriedenstellend. 83 Prozent der Frauen und 71 Prozent der Männer leben in einer eigenen Wohnung. Bei den Jüngeren unter 45 Jahren sind es nur 56 Prozent. Weiterhin ergab sich, dass etwa 65 Prozent der älteren Drogenkonsumenten allein stehend leben, Frauen etwas seltener als Männer. Mit dem Alter wächst auch der Untersuchung zufolge das Gefühl von Einsamkeit. Von den Personen mit einer festen Beziehung hat jeder zweite einen Partner oder Partnerin mit Suchtproblemen.

Nur zwölf Prozent der älteren Drogenabhängigen haben einen Vollzeit-Job. Etwa zwei Drittel sind arbeitslos gemeldet. Rund zehn Prozent leben in einer Einrichtung. Elf Prozent gaben zu, illegal Geld zu verdienen wie etwa durch Drogenhandel. Etwa zwölf Prozent der Frauen über 45 Jahre arbeiten noch als Prostituierte. Die Prognose für die Rente ist düster: Weil die meisten nicht erwerbstätig sind, haben sie kaum Rentenansprüche.

Aus den Befragungen der älteren Drogenabhängigen geht deutlich hervor, dass die meisten auch weiterhin eigenständig leben wollen. Geeignet ist dafür eine ambulante Pflege. Problematisch ist allerdings, dass die Pflegekasse nur eine Haushaltshilfe bezahlt, wenn eine körperliche Einschränkung bescheinigt wird. Folgen der Drogensucht werden von den Kassen bislang aber nicht anerkannt.

Weitaus schwieriger wird es noch, wenn die Betreuung in einem Heim notwendig wird. Die Alten- und Pflegeheime sind ausgerichtet auf Hochbetagte und Demenzkranke. Ein Pflegeheim, das diese verhältnismäßig jungen Drogenkonsumenten aufnimmt und angemessen versorgt, gibt es in Hamburg nicht.

Auch die europaweite Situation der Drogenbehandlungseinrichtungen stellt sich vergleichbar dar. EBDD-Direktor Götz: „Die Dienste stehen vor einer Herausforderung.“ Sie müssten sich darauf einrichten, immer ältere Patienten zu versorgen. Die litten jedoch nicht nur an den Folgen ihres langfristigen Drogenkonsums, sondern hätten oft auch geriatrische Erkrankungen.