Kunden können Kabinenausstattung des A350 anschauen. Investition von sieben Millionen Euro und 200 Arbeitsplätze
Hamburg. Ein bequemer Sitz, ein gut funktionierender Bildschirm für Filme und Bordinformationen, ansprechende Farben und stimmungsvolle Beleuchtung - für viele Passagiere ist der Kabinenkomfort auf Langstrecken neben dem Service das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen konkurrierenden Fluggesellschaften. In Hamburg will Airbus seinen Kunden nun einen neuen Weg bieten, die im Wettbewerb immer wichtigere Kabinenausstattung zusammenzustellen. Nach einer Bewerbungsphase hat sich der Vorstand für die Hansestadt als Standort des Kabinendesignzentrums für den geplanten Airbus A350 entschieden.
Mehr als ein Schauraum
Dieses Zentrum wird weit mehr sein als nur ein Schauraum, in dem Einkäufer der Airlines wie in einem Möbelhaus in verschiedenen Flugzeugsitzen Platz nehmen und diverse Bordküchen, Waschräume, Stauschränke, Wandverkleidungen und Teppiche unter die Lupe nehmen können. Dank modernster Computertechnik wird es möglich sein, virtuell durch ein dreidimensionales Modell des schon fertig ausgebauten Flugzeuginnenraums zu gehen.
Sogar Mischformen zwischen Realität und Simulation sind vorgesehen: Steht der Kunde vor einer Küche mit vier Öfen und einer Kaffeemaschine, kann er ein iPad von Apple ins Blickfeld halten und auf dem Bildschirm sehen, wie diese Küche zum Beispiel mit drei Öfen und zwei Kaffeemaschinen aussähe. "Für den A350 werden bis zu 300 verschiedene Varianten von Bordküchen angeboten", sagt Airbus-Kabinenchef Klaus Röwe, "die können wir nicht alle ausstellen." Vor allem aber biete das neue Zentrum den Fluggesellschaften die Gelegenheit, die komplette Kabine ihrer neuen A350-Jets in enger Abstimmung mit den Airbus-Ingenieuren zu entwerfen. Zwar hat Boeing für sein Konkurrenzmodell 787 bereits Anfang 2007 eine "Dreamliner-Galerie" nahe Seattle eröffnet. Sie sei jedoch primär eine Ausstellung von Sitzen und Bezugsstoffen, es gehe dort weniger um die interaktive Gestaltung des kompletten Innenraums, heißt es bei Airbus.
Standort Hamburg wird gestärkt
"Durch den Beschluss, das Customer Definition Centre in Hamburg zu errichten, wird der Standort gestärkt", sagt Gerald Weber, Produktionsvorstand des Unternehmens und Chef von Airbus Deutschland. Mit Investitionen von sieben Millionen Euro wird eine Halle auf dem Werksgelände, in der ursprünglich einmal Flugzeuge gebaut wurden und in der heute Kabinentests stattfinden, aufwendig umgestaltet. "Wir streben eine architektonisch überzeugende Lösung an, die zwar repräsentativ wirkt und zu dem innovativen A350 passt, aber auch die lange Tradition des Flugzeugbaus auf Finkenwerder erlebbar macht", sagt Röwe. Auf einer Fläche von 3000 Quadratmetern sollen von Mitte 2012 an rund 200 Menschen tätig sein, zum größten Teil Ingenieure. In begrenztem Umfang entstehen auch neue Arbeitsplätze.
Mit dem anvisierten Konzept zieht Airbus auch die Lehren aus Problemen, die beim Riesenflieger A380 auftraten: Bei diesem Prestigejet musste Airbus für jeden Kunden nach dessen individuellen Wünschen die Kabine völlig neu entwickeln, weil die Marketingmanager den Fluggesellschaften maximale Wahlfreiheit versprochen hatten. Will aber ein Kunde etwa eine Bordtoilette nur wenige Zentimeter weiter hinten installiert haben als der vorhergehende Kunde, muss der Verlauf diverser Rohrleitungen und Kabel neu geplant werden. Weil man den mit solchen Arbeiten verbundenen Aufwand jedoch deutlich unterschätzt hatte, trugen auch sie zu den milliardenteuren Verzögerungen des A380 bei.
Daher geht Airbus beim neuen Langstreckenjet A350, der dank neuartiger Kohlefaserbauweise wesentlich sparsamer fliegen soll als heutige Maschinen seiner Größenklasse (270 bis 350 Passagiere), einen anderen Weg: Die Airlines können aus einem Katalog vorab entworfener Grundvarianten für die Kabinenaufteilung wählen. "Das bedeutet für uns eine erhebliche Verringerung der Komplexität", erklärt Weber.
Zum Schluss kommen die Chefs der Fluggesellschaften nach Hamburg
Allerdings hätten auch die Kunden durch diesen Strategiewechsel einen Vorteil. "Sie haben noch bis acht Monate vor der Auslieferung ihres Flugzeugs Zeit, sich endgültig für eine Kabinenauslegung zu entscheiden, und können damit besser auf Marktveränderungen reagieren", sagt Röwe. Bisher muss diese Entscheidung spätestens elf bis zwölf Monate vor der Ablieferung eines Langstreckenjets fallen.
Für bestimmte Innovationsprojekte, die Airbus im neuen Kabinendesignzentrum umsetzen will, ist eine öffentliche Förderung im Gespräch. "Wir haben sofort offene Türen beim Hamburger Senat gefunden", sagt Weber.
Aber auch die Stadt profitiert von der Standortentscheidung: "Wir rechnen damit, dass pro Jahr 20 Delegationen von Fluggesellschaften, im Schnitt zehn Personen, zwischen zwei und sechs Wochen in Hamburg sein werden", so Röwe. Dabei handele es sich um hochrangige Gäste: "Für die abschließenden Entscheidungen kommt üblicherweise der Chef der Fluggesellschaft."