Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall.

Dieses süffisante Grinsen. Dieser herablassende Blick, mit dem er seine Ex-Freundin mustert. Die ganze Körpersprache, die das Gefühl von Überlegenheit widerspiegelt. Die Überzeugung, dass er diese Frau in der Hand hat, dass er über ihr Leben bestimmen kann. Dass er der Stärkere ist. Dabei ist Riad H. in Wirklichkeit schwach. Denn die Frau, die einst an seiner Seite war, hat sich schon vor Jahren von ihm gelöst. Doch wirklich Souveränität zu zeigen und die Trennung zu akzeptieren ist für den 46-Jährigen ein nicht zu bewältigender Kraftakt. Er scheint besessen von dem Gedanken, dass keiner sie haben soll, wenn er sie nicht haben kann. Und so macht Riad H. ihr das Leben zur Hölle.

Der Mann ist ein Stalker. Bedroht die Frau, bedrängt sie, quält sie mit Telefonterror, bringt ihr Leben so sehr aus den Fugen, dass die 27-Jährige noch einmal von vorn beginnen muss: einen neuen Job suchen und ein neues Lebensumfeld in einer anderen Stadt. Um endlich Ruhe zu haben. Um endlich wieder frei atmen zu können. Schon einmal wurde Riad H. deshalb wegen Nachstellung vom Amtsgericht verurteilt, zu einer Bewährungsstrafe. Und es gibt eine Anweisung, dass er mindestens 50 Meter Abstand zu ihr halten muss. Er wolle wegziehen und seine Ex-Freundin nunmehr in Ruhe lassen, hatte der Mann seinerzeit Besserung gelobt.

Doch es waren wohl nur leere Versprechungen. Denn Riad H. hat offenbar genauso weitergemacht wie früher.

Jetzt sitzt der klein gewachsene Mann mit dem schwarzen Schopf wieder wegen Nachstellung vor dem Amtsgericht, vor demselben Richter wie damals, und streift seine Ex-Freundin Heike S. mit diesem herablassenden, spöttisch lächelnden Blick. Die junge, attraktive Frau ist Nebenklägerin im Prozess, die Anspannung steht ihr ins Gesicht geschrieben. Die Hände hält sie ineinander verkrampft, als die Anklage verlesen wird, die Riad H. unter anderem vorwirft, seine Ex-Freundin an mehreren Orten abgepasst und ihre Arbeitsstelle aufgesucht zu haben. Ferner soll er ihr eine SMS geschickt haben mit den ungelenken Worten: "Keiner kann dich helfen. Ich weiß, wo du wohnst." Diese Nachstellungen haben Heike S. "in ihrer Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt", heißt es in der Anklage.

Doch die Zusammentreffen seien allenfalls zufällig gewesen, behauptet der derzeit arbeitslose 46-Jährige jetzt. In anderen Fällen habe es eine Begegnung überhaupt nicht gegeben: "Ich war nicht da. Ich habe ihr nicht geschrieben", kommt das Stakkato seiner Verneinungen, das er ergänzt mit der Forderung: "Sie soll mich in Ruhe und mein Leben leben lassen." Dieser Satz klingt aus seinem Mund geradezu paradox.

Denn er war es, der weiter keine Ruhe gab, schildert Heike S. als Zeugin. Zunächst habe sie versucht, kleinere Vorfälle "nicht so tragisch zu nehmen", erzählt sie. Doch irgendwann habe sie gewusst, dass ihr Albtraum wieder Gestalt angenommen hatte. Dass es wieder vorbei ist mit der Ruhe vor dem Mann, der sie jahrelang terrorisiert hat. Der ihr immer wieder gedroht habe, nachgestellt, der angekündigt habe, ihr Säure ins Gesicht schütten zu wollen, der sie beobachtet.

"Er ist so uneinsichtig, er hört niemals damit auf, das hat er gesagt", schluchzt die 27-Jährige. "Ich habe keine Möglichkeit, ein normales Leben zu führen. Er ist ein absolut kranker Mensch. Und ich bin sein Lebensmittelpunkt." Sie habe schon ihre Heimatstadt verlassen und sei nach Hamburg gezogen, habe mehrfach ihre Telefonnummer und ihren Arbeitsplatz gewechselt, sagt sie unter Tränen. Sie habe Angstzustände, meide bestimmte Stadtteile aus Furcht, ihm über den Weg zu laufen, habe Freunde verloren. "Meine Arbeit schaffe ich schon lange nicht mehr, ich gehe nicht mehr allein in die Stadt und traue mich ohne Begleitung nicht mehr aus dem Haus." Zudem müsse sie psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. "Er macht mich komplett kaputt. Ich fühle mich wie im Gefängnis."

Zeuginnen bestätigen ihre Aussagen, eine Freundin von Heike S. schildert eine Begegnung mit Riad H., in dem er sie bedrängt habe, ein Treffen mit seiner Ex-Freundin zu ermöglichen. "Ich muss sie sehen, ich bin verrückt nach ihr", hat der Angeklagte demnach gesagt. "Ich weiß, ich stehe mit einem Bein im Knast, aber das ist mir egal."

Für zehn Monate, lautet die Entscheidung des Amtsrichters, muss Riad H. wegen Stalkings ins Gefängnis, eine Strafe ohne Bewährung. Denn dafür, erklärt der Richter, müsse er die "Erwartung haben", dass es keine weiteren Straftaten geben werde. "Und genau diese Erwartung kann ich nicht haben", betont er mit Blick auf den Angeklagten. "Sie haben schon beim letzten Mal genauso weitergemacht wie früher." Jetzt ist Riad H. das Grinsen vergangen. Am Ende stürmt er aus dem Gerichtssaal, alle Arroganz ist wie weggepustet. Und sein Mund ist nur noch ein dünner Strich.