"Als ich erfuhr, welche Pflanze ausgewählt wurde, habe ich mich sehr gefreut. Warum ich mich so gefreut habe, will ich Ihnen verraten. Ich kenne diese Pflanze seit über 80 Jahren und habe sie damals als Kind etwa zehn Minuten von uns hier in einem Moorloch entdeckt. Damals gab es hier auf der Höhe kaum Häuser. Wir Kinder waren in den Schulferien immer hier in Neugraben-Fischbek bei unseren Großeltern, die sich 1908 unten in der Heide ein großes Grundstück gekauft hatten. Zwei Pfennig pro Quadratmeter - wie mein Großvater mir mal erzählte. Die Bauern in Fischbek und Neugraben konnten mit dem mageren Heideboden wenig anfangen. Es gab in der Nähe der Dörfer einige Buchweizenfelder. Manchmal säte auch ein Bauer gelbe Lupinen, die untergepflügt wurden, um den Boden etwas zu verbessern.
Bienen wie in der südlichen Heide wurden hier kaum gehalten. In den 30er-Jahren entstand hier in der Nähe ein Segelflugplatz. Es gab eine Art Jugendherberge mit dem schönen Namen "Mudder Rieck", in der mein Mann und ich als Klassenkameraden 1930 unsere erste "Klassenreise" machten. Aber fast genug Vergangenheit. Ich wollte nur deutlich machen, dass mir dieser nördliche Zipfel der Lüneburger Heide seit vielen Jahren vertraut ist - und die Pflanzenwelt hier natürlich auch. Denn 1930 machte ich meine Jahresarbeit - jeder in der Klasse über ein selbst gewähltes Thema - natürlich über die Pflanzen eines kleinen Hochmoores hier ganz in der Nähe.
Das Wort "Biotop" gab es noch nicht. Aber es war eine sorgfältige Beschreibung aller Pflanzen in dem kleinen Moor und meine Zeichnungen dazu. Außer dem abenteuerlichen insektenfangenden Sonnentau war für mich die schönste Pflanze "die Blume des Jahres 2011", der Beinbrech oder auch Moorlilie. Den poetischen Namen Moorlilie habe ich erst kürzlich von den Mitgliedern des Stiftungsvorstandes kennengelernt.
Was ist nun von der Blume des Jahres 2011, dem Beinbrech oder der Moorlilie, zu berichten: Sie hat schmale, schwertförmige, grundständige Blätter. Sie wird zehn bis 30 Zentimeter hoch zur Blütenzeit. Der Stengel hat kleine bräunliche Blätter und trägt eine dicke Traube von Blüten. Die sechs Kronblätter sind außen grün, innen aber leuchtend gelb. Manchmal sind die Staubgefäße beinahe orange.
Die Blüten duften stark würzig, wenn sie im Juli und August blühen. Beinbrech oder Moorlilie ist giftig. Sie kommt nur in Norddeutschland und Mitteldeutschland vor.
Ich kenne in Hamburgs Umgebung noch mehrere Standorte. Einige Pflanzen wachsen auch in der Nähe unserer Wohnung im Nordosten Hamburgs."
* Die Rede der verstorbenen Naturschützerin Loki Schmidt wurde gestern bei der Ehrung der "Blume des Jahres 2011" verlesen.