Der Eimsbütteler Turnverband will zwei Sportplätzen, die nach Nazis benannt wurden, neue Namen geben und Geschichte aufarbeiten.
Die Sparbierplätze an der Bundesstraße sind jedem Fußballer in Hamburg bekannt. Unzählige Jugendliche und Senioren haben auf ihnen gespielt, Generationen von Sportlern sich hier getroffen. Sie alle werden sich bald an einen neuen Namen gewöhnen müssen. Der Eimsbütteler Turnverband von 1889, der ETV, hat dem Sportamt und dem Bezirk die Umbenennung der städtischen Anlage vorgeschlagen, die der Klub Ende des Jahres in seine Verwaltung übernehmen will. Julius Sparbier war ein Nazi, "vermutlich nicht Mitglied der NSDAP, dem völkischen und antisemitischen Gedankengut der Partei aber eng verbunden", sagt der Hamburger Historiker Sven Fritz.
Fritz' Erkenntnisse sind das Resultat umfänglicher Recherchen, die der ETV unter Koordination des Geschichtswissenschaftlers Hannes Heer anstellen ließ. Die Forschungsergebnisse wird der Verein am Freitag in seinem Sportzentrum an der Bundesstraße präsentieren. Sie fallen für den Klub wenig schmeichelhaft aus. Es ist eines der vielen dunklen Kapitel deutscher Sportgeschichte, die zum größten Teil in den Archiven schlummern. "An Aufklärung waren nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute die wenigsten interessiert, weil es in vielen gesellschaftlichen Bereichen, nicht nur im Sport, ungebrochene Traditionslinien und Kontinuitäten beim Personal gab. Zugespitzt kann man behaupten: Ein Großteil derjenigen, die Deutschland zerstört haben, hat es auch wieder aufgebaut", sagt Fritz.
Zu Sparbiers 65. Geburtstag hatten die Nationalsozialisten die Fußballfelder 1933 nach dem langjährigen ETV-Vorsitzenden benannt. Auch der August-Bosse-Platz gegenüber wird einen neuen Namen erhalten. ETV-Mann Bosse, 1935 mit allen Insignien der NSDAP-Herrschaft beerdigt, war aktives Parteimitglied. "Der ETV", bekennt der Vorsitzende Frank Fechner, "hat sich in der Nazizeit nicht wie viele andere Klubs nur opportunistisch verhalten, um den Sportbetrieb aufrechterhalten zu können, er hat die politischen Vorgaben mit gewisser Begeisterung antizipiert und umgesetzt." Die Nachforschungen kosteten den Verein rund 30 000 Euro, und manch Älterer im Klub hatte damit seine Probleme. "Wir müssen uns der Geschichte stellen, sie aufarbeiten", sagt Fechner, "unsere heutige demokratische Grundhaltung zeigt sich auch in einem unverklärten Blick auf die Vergangenheit." Mit 11 500 Mitgliedern ist der ETV nach dem HSV, Sportspaß und dem FC St. Pauli der viertgrößte Sportverein der Stadt.
Die Rückschau geschieht nicht ganz freiwillig. Zwei Sponsoren verlangen nach ersten Hinweisen auf die Schattenseiten der Vereinshistorie Aufklärung, frieren ihr Engagement zeitweilig ein. Aktiv wird die "Bürgerinitiative gegen die Bebauung des Sparbier-Sportplatzes", die sich gegen den Aus- und Neubau des Elim-Krankenhauses wendet. Sie hat versucht, den ETV als Verbündeten zu gewinnen. Der Klub sieht sich durch die Errichtung neuer Kunstrasenplätze entschädigt und schließt sich den Protesten nicht an.
Das führt zu Nachforschungen der Krankenhausgegner in der ETV-Geschichte. Und da wird der Historiker Günther Jacob fündig. Robert Finn ist von 1933 bis 1945 Zweiter Vorsitzender des ETV und nach seiner im dritten Anlauf vollzogenen Entnazifizierung von 1948 bis zu seinem Tod 1973 Präsident des Vereins. Im Dritten Reich pflegt er als Direktor der Arbeitsgemeinschaft für Schmierölversorgung enge Beziehungen zu Rüstungsminister Albert Speer, arbeitet an führender Stelle der Kriegswirtschaft. Finn, nach dem die Große Sporthalle im ETV-Hauptgebäude 1973 benannt wird, leugnete beharrlich seine NSDAP-Mitgliedschaft. Sie ist inzwischen belegt. Die Finn-Halle heißt seit 2007 Große Sporthalle. In ihr hatten die Nazis von 1941 bis 1943 ein Lager für 395 Zwangsarbeiter errichtet.
Größeres Aufsehen erregen die vier Symbole an der Fassade des Sportzentrums. Weil das Gebäude am 1. April 1910 eingeweiht wird, hält der ETV diese Darstellungen, die dem Hakenkreuz ähneln, lange für unpolitische Turnerkreuze. Die verkeilten Buchstaben "F" stünden für das Motto "Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei" der von Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) im 19. Jahrhundert begründeten deutschen Turnerbewegung. Nach einer Anzeige von fünf Rechtsanwälten gegen den ETV wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole stellt die Staatsanwaltschaft Hamburg ihre Ermittlungen jedoch ein. Die Turnerkreuze, 100 Meter von der Synagoge an der Hohen Weide entfernt, erfüllten keinen Straftatbestand. Anstößig sind sie dennoch. Zum politischen Wahrzeichen wird diese Form des Turnerkreuzes 1889. Der antisemitische österreichische Deutsche Turnerbund, eine Abspaltung der Deutschen Turnerschaft, hat sie zum Bundeszeichen erhoben, gerade wegen der Ähnlichkeit zum Hakenkreuz.
Das steht bereits damals für eine völkische Gesinnung, antiliberal und nationalistisch, die zu Anfang des 20. Jahrhunderts in den meisten deutschen Turnvereinen herrscht. Wer diese Turnerkreuze anbringen lässt, sagt Fechner, "der weiß, was er tut". Die Aussage sei klar: Hier ist ein Treffpunkt für "Arier", Juden sind unerwünscht. Entsprechend wenige treten dem Klub bei. Während der Bevölkerungsanteil der Juden in Eimsbüttel zu dieser Zeit bei 20 Prozent liegt, finden sich in den ETV-Mitgliederlisten nur wenige.
Jürgen Sielemann, Vorsitzender der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie, forscht nach ihnen. Ein schwieriges Unterfangen. Die Verzeichnisse aus den Jahren nach 1905 sind unvollständig. Sielemann vermutet, die Unterlagen aus der NS-Zeit seien gesäubert worden. Dass es Finn war, bleibt nur ein Verdacht. Sielemann stößt auf 23 Namen jüdischer ETV-Mitglieder. Acht von ihnen werden deportiert und ermordet. Einer stirbt vor der Deportation, einer verübt Suizid, einer überlebt die KZ-Haft. Sechs fliehen ins Exil. Zwei fallen im Ersten Weltkrieg. Bei vier Mitgliedern ist keine Verfolgung nachweisbar. Sie verlassen Deutschland 1933 ins europäische Ausland. An alle wird der ETV mit einer Gedenkstele vor dem Eingang seines Sportzentrums erinnern. Zudem wird neben den Turnerkreuzen eine Erklärungstafel angebracht, Überschrift: "Die Große Halle des ETV und ihre Symbole". Die zu entfernen hält Fechner "für unhistorisch". Die Vergangenheit könne nicht weggemeißelt werden.
Die Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte haben erst wenige Hamburger Vereine hinter sich, anderen, wie der HT 16 in Hamm, dem ältesten Turnverein der Welt, steht sie nach den Funden der Historiker bevor. Die Gleichschaltung des Sports hatte alle Klubs getroffen. Die Vorsitzenden, sie müssen der NSDAP angehören, heißen nach 1933 Vereinsführer, jüdische Mitglieder werden ausgeschlossen, zum Teil verschleppt und enteignet. Arbeitersportklubs wie Lorbeer 06 aus Rothenburgsort, für den Uwe Seelers Vater Erwin stürmt, verbieten die Nazis wie auch konfessionelle Sportorganisationen.
Der Hamburger SV hat vor drei Jahren in seinem Stadion-Museum seine Geschichte während des Nationalsozialismus in einer bemerkenswerten Sonderausstellung "Die Raute unter dem Hakenkreuz" dokumentiert. Der Fußball-Bundesligaklub scheute sich dabei nicht, Paul Hauenschild, seinem mehrmaligen Präsidenten, größten Förderer und Mäzen, die NSDAP-Mitgliedschaft nachzuweisen. Hauenschild tritt der Partei 1933 bei. Im Mai des Jahres wird er geschäftsführender Vorsitzender des Bezirksvorstands Groß-Hamburg des Norddeutschen Sportverbandes, belegt Historiker Fritz.
Zur Parteimitgliedschaft Hauenschilds sagt HSV-Museumsleiter Dirk Mansen: "Nach eigenen Aussagen ist Hauenschild der Partei beigetreten, um seine Firma und seine Familie zu schützen. Ein Teil seiner Familie war jüdischen Glaubens. Seine Tante wurde im KZ Theresienstadt ermordet. Die Engländer stuften Hauenschild nach dem Krieg als einfaches Mitglied, als Mitläufer ein, der keine Vorteile aus seiner Mitgliedschaft gezogen hat." Dennoch laufen im Verein Diskussionen, die Paul-Hauenschild-Sportplätze in Norderstedt, das Gelände hatte er 1928 dem HSV geschenkt, neu zu benennen. Die Meinungsbildung ist nicht abgeschlossen. Eine mögliche Lösung böte eine im HSV-Vorstand angedachte Strukturreform. Sie sieht vor, dass der HSV seinem Schwesterverein HSV Ochsenzoll die Hauenschild-Plätze abkauft und diesen Verein danach auflöst. Das Geld würde in die Paul-Hauenschild-Stiftung fließen, die weiter die Nachwuchsarbeit des Vereins unterstützt.
Der FC St. Pauli hat seine Geschichte bereits umgeschrieben. 1998 beschließen die Mitglieder mit 133 gegen 77 Stimmen, aus dem Wilhelm-Koch- das Millerntor-Stadion zu machen. Koch war 36 Jahre lang Präsident des FC St. Pauli. 1937 tritt er der NSDAP bei. Über Kochs politische Aktivitäten wird nichts bekannt, im Berliner Bundesarchiv findet sich in seiner Akte nur das Anmeldeformular. Selbst die Übernahme eines jüdischen Handelshauses durch Koch und seinen Geschäftspartner Hugo Scharff werten der Historiker Frank Bajohr und der Rechtsanwalt Hans Grutschus als nicht anstößig, weil es keine Indizien gebe, dass sich Koch und Scharf dabei bereichert oder ein moralisch fragwürdiges Verhalten gezeigt hätten. Die Mehrheit der St. Paulianer bleibt trotz dieser entlastenden Argumente bei ihrer klaren Linie. Gebäude des Vereins, insbesondere das Stadion, dürfen nicht den Namen eines NSDAP-Mitglieds tragen.