Ohne Patriotismus ist kein Staat zu machen.
20 Jahre nach der Wiedervereinigung fällt die Bilanz abseits der öffentlichen Einheitsfeiern, der Grußadressen und Festtagspredigten eher durchwachsen aus. Die Deutschen, die Berlins damaliger Bürgermeister Walter Momper in der Nacht des Mauerfalls als "glücklichstes Volk der Welt" gepriesen hatte, präsentieren sich in Teilen eher mürrisch, schlechtlaunig, teilnahmslos. Wiedervereinigung - war da was? Laut einer aktuellen Umfrage wagte sich jeder vierte Westdeutsche noch nie in den Osten. Und auf dem Boden der ehemaligen DDR sind viele bereit, den untergegangenen Unrechtsstaat als besseres Deutschland zu verklären.
Und doch vermag die Unzufriedenheit einiger die Bilanz des Einheitsprozesses nicht zu schmälern. Die Einheit ist - trotz aller Schwächen, Fehler und Ungerechtigkeiten - ein Erfolg. Und auch wenn die blühenden Landschaften, die Helmut Kohl einst versprach, nicht überall Wirklichkeit geworden sind, gedeiht der Osten. Wer die Bilder von heute mit denen von 1990 vergleicht, versteht.
Warum also freuen wir uns nicht? Ja, warum sind wir nicht stolz auf den Mut der Ostdeutschen von 1989 und die Kraftanstrengung danach? Vermutlich auch, weil viele Deutsche, West wie Ost, noch immer mit ihrem Vaterland fremdeln. Noch immer gilt Deutschland einigen als verdächtig, "typisch deutsch" wird grundsätzlich negativ verwendet. Es ist nicht lange her, da löste schon der Begriff "Leitkultur" einen Sturm der Entrüstung aus. Und viele leugneten ihre Nationalität, um in einer europäischen Identität aufzugehen. So haben wir Deutschen viel zu lange Patriotismus ausgerechnet tumben Rechtsradikalen und Ewiggestrigen überlassen. Denn auch das liberale Bürgertum hatte sich losgesagt. Es reduzierte Land und Gesellschaft auf einen "Standort" und wurde nicht müde, in immer neuen Schlusslichtdebatten Deutschland schlechtzureden. Man wollte zu Recht Reformen, nahm aber als Kollateralschaden eine nachhaltige Verschlechterung der Stimmung im Land in Kauf. Ja, es gab sogar absurde Studien, die die Republik in ihrer Wirtschaftsfreundlichkeit noch hinter Burkina Faso einsortierte. Was dabei gern übersehen wurde: Die Wirtschaftsschwäche der vergangenen Jahrzehnte war auch ein Preis der Einheit, der sich seit 1990 auf 1,5 bis zwei Billionen Euro summiert.
Doch die Zeiten ändern, die Verkrampfungen lösen sich. Inzwischen streiten Grüne für einen "linken Patriotismus", und Debatten über das Land werden zum Bestseller. Wie ein Katalysator wirkten der Fußball und die Weltmeisterschaften - plötzlich war Schwarz-Rot-Gold schick und die Nationalhymne kein Anlass mehr zum Fremdschämen. Es ist gerade die Generation der Jungen und Einwanderer, die sich plötzlich zu Deutschland bekennt.
Dieser neue Patriotismus, der eben nicht in alte Nationalismen zurückfällt, muss uns nicht schrecken. Im Gegenteil. Er ist bitter nötig, weil er die nötige integrative Kraft für das Land entwickelt. Mit Patriotismus können wir diesen 3. Oktober feiern. Ein Land, das Stuttgart 21, die Abschaffung (sic) der Wehrpflicht und die Laufzeiten von Atomkraftwerken seine "Probleme" nennt, hätte allen Grund dazu.