Eine Glosse von Sven Kummereincke
Es gab in Ahrensburg mal einen Taxifahrer, der die 70 schon längst überschritten hatte. Er war bei den Fahrgästen ungemein beliebt, weil er ein sehr freundlicher älterer Herr war (und weil alle Fahrten 10 Mark kosteten, egal wohin es ging). Alle dachten, dass er wegen des Geldes noch arbeitete. Die Wahrheit war eine andere: Er tat es wegen seiner Frau. "Ich fahre nur nachts, tagsüber schlafe ich", erklärte er einmal. Seine Frau sehe er so nicht öfter als unbedingt notwendig. Irgendwann hat er dann doch aufgehört, Taxi zu fahren - kurz nachdem seine Frau gestorben war ...
Nun, es gibt auch glücklich verheiratete Arbeitnehmer, die trotzdem nicht mit 65 Jahren in Rente gehen wollen. Und nach dem Urteil des Arbeitsgerichts (ein Hochbahn-Mitarbeiter hatte erfolgreich gegen seine Zwangsverrentung geklagt) auch nicht mehr müssen. Was gewaltige Vorteile bietet: mehr Geld und weniger Zeit, es auszugeben.
Sollte sich der Trend zur Vergreisung am Arbeitsplatz durchsetzen, hätte dies aber auch tiefschürfende Veränderungen der Gesellschaft zur Folge. Denn wenn keiner mehr in Rente geht, bekommt auch kein junger Mensch Arbeit. Klingt furchtbar, ist es aber nicht. Die schuftenden Großväter nämlich können ihr Geld schon aus Zeitgründen nicht mehr auf sechswöchigen Kreuzfahrten verjubeln - und geben es stattdessen direkt an ihre (arbeitslosen) Enkel. Die wiederum kurbeln damit den Konsum an und genießen ihre schönsten Jahre in vollen Zügen. Statt mit 20 fangen sie künftig eben mit 35 an zu arbeiten - um schließlich mit 80 in Rente zu gehen. Natürlich nicht, ohne vorher ihren Enkeln das Partyleben finanziert zu haben. Der Generationenvertrag bekommt so eine ganz neue Bedeutung. Und vor allem: Akzeptanz!