Hamburgs Schulpolitik muss Vertrauen zurückgewinnen.
Es gibt wohl keinen Bereich des öffentlichen Lebens, in den die Landespolitik so stark hineinregiert wie in die Schulen. Bisweilen entsteht der Eindruck, dass die Schulbildung geradezu ein Experimentierfeld profilierungssüchtiger Politiker ist. Gute Absicht sei in den meisten Fällen unterstellt. Für Hamburg jedenfalls gilt nach dem Aus der Primarschule beim Volksentscheid zu Beginn der Sommerferien unzweifelhaft: Die ideologisch aufgeladenen Schlachten sind geschlagen.
Morgen beginnt das neue Schuljahr. Schüler, Eltern und Lehrer haben jetzt einen Anspruch darauf, dass an den Schulen konzentrierte Ruhe eintritt. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die große Reform, die auch ohne Primarschule kommt, umgesetzt werden kann. Mit der Stadtteilschule nimmt ein völlig neuer Schultyp seine Arbeit auf. Der Unterricht insgesamt soll individueller und flexibler werden. Das sind nur zwei Beispiele. Also: keine Querschüsse aus dem Rathaus oder von den Parteien, keine neue Debatten über die beste Schulform von allen, die es ohnehin nicht gibt.
Das heißt auch: Einen Schulversuch Primarschule, wie er den Befürwortern dieses Projekts nun vorschwebt, darf es nicht geben. Das hieße, das vom Volk abgelehnte längere gemeinsame Lernen quasi durch die Hintertür doch noch einzuführen. Ein solcher Schulversuch ist auch aus einem weiteren Grund abzulehnen: Schüler und ihre Eltern müssen auf die Verlässlichkeit der vorgezeichneten Schullaufbahnen vertrauen können. Ein Schulversuch Primarschule schafft jedoch neue Probleme beim Übergang auf die weiterführenden Schulen am Ende der Klasse 6, weil die meisten Schüler in Zukunft, wie bislang auch, nach Klasse 4 wechseln.
Ja, es wäre gut gewesen, wenn Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) einen Plan B für den Fall der Niederlage beim Volksentscheid, die ja eingetreten ist, in der Tasche gehabt hätte. Es wäre richtig gewesen, alle Beschlüsse zur Neuorganisation von Schulen von vornherein mit der Klausel zu versehen: Tritt nur in Kraft, wenn das Volk die Primarschule will. Weil das nicht geschehen ist, ergibt sich nun die kuriose Situation, dass sogenannte Starterschulen mit der Primarschulreform beginnen sollen, obwohl die gar nicht kommt.
Gleiches gilt für die Grundschulfusionen, die nur sinnvoll waren, weil die zusammengelegten Standorte als Primarschule ein breiteres Unterrichtsangebot machen könnten. Die Schulbehörde mit Christa Goetsch an der Spitze muss das nun beginnende Schuljahr nutzen, um verloren gegangenes Vertrauen in die Planungskompetenz zurückzugewinnen. Und sie müssen der Verunsicherung mindestens eines Teils der Eltern durch eine umfassende Beratung entgegenwirken.