Prof. Dr. Claudia Kemfert, 41, leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Institut für Wirtschaftsforschung.
1. Hamburger Abendblatt:
Ist die Drohung der Stromkonzerne, bei Einführung einer Brennelementesteuer die Kernkraftwerke sofort abzuschalten, eine unangemessene Einmischung in die Politik?
Claudia Kemfert:
So würde ich das nicht nennen. Allerdings ist das nicht sehr klug. Denn eigentlich geht es aus Sicht der Konzerne ja darum, die Atomkraftwerke länger laufen zu lassen. Das ist aber unmöglich, wenn sie bereits vorher abgeschaltet würden. Auch der Zeitpunkt der Drohung ist ungünstig, denn es ist noch längst nicht beschlossen, dass die Atomkraftwerke überhaupt länger laufen sollen.
2. Für Greenpeace ist die Drohung der Konzerne eine gute Nachricht. Meinen die Stromkonzerne das überhaupt ernst?
Nein, ich halte das für Säbelrasseln und eine im Grunde genommen unkluge Strategie. Die Konzerne machen sich das Leben unnötig schwer. Denn alle Gegner der Atomkraft würden sich doch freuen, wenn die Stromkonzerne ihre Ankündigung wahr machen. Das erscheint mir eher als ein Eigentor der Konzerne.
3. Wie sehr ist die Regierung von großen Wirtschaftsinteressenten wie der Stromlobby abhängig und beeinflussbar?
Es gibt einen Einfluss, aber der ist nicht übergebührend, sonst hätte man längst eine Laufzeitverlängerung durchsetzen können. Die Konzerne konnten bisher ihren Einfluss in dieser Frage nicht geltend machen. Auch vonseiten der Atomkraftgegner ist der Druck auf die Politik sehr groß, die Laufzeiten nicht zu verlängern, ebenso aus der Opposition, aus Verbraucherschutzverbänden und aus der Bevölkerung.
4. Wo bleiben in dem Machtkampf die Interessen der Verbraucher auf preisgünstigen Strom?
Verbraucherschützer fordern niedrigere Strompreise, die aber auch mit Atomkraft nicht gewährleistet sind, auch nicht durch eine Verlängerung der Laufzeiten, wie wir aus der Vergangenheit wissen. Im Moment steigen die Strompreise ständig. Das sieht auch die Regierung und hat das Kartellamt auf den Plan gerufen, das zu Recht eine Transparenzinitiative startet.
5. Würde bei uns die Stromversorgung zusammenbrechen, wenn die Kernkraftwerke in kurzer Zeit abgeschaltet würden?
Nein, es ist ohnehin geplant, sie bis 2020 abzuschalten. Ein schneller Zukauf von Strom aus dem Ausland, wie die Konzerne jetzt behaupten, ist aber nicht möglich, dazu fehlen die Leitungs- und andere -kapazitäten. Ein schnelles Abschalten der Atomkraftwerke bewirkt allerdings einen massiven Zubau von Kohlekraftwerken, was aus Klimaschutzgründen problematisch ist. Genau das sollte das geplante Energiekonzept eigentlich verhindern.
Die Fragen stellte Christoph Rind