Grüne neigen dazu, ihre Position der Stärke überzustrapazieren.
Übersetzt aus dem Griechischen bedeutet Hybris "Übermut" oder "Anmaßung". Im Internetlexikon Wikipedia heißt es, das entsprechende Verb bedeute bei Homer "zügellos werden" oder "sich austoben" und werde auch auf überfütterte Esel angewandt, die schreien und aufstampfen. Jetzt wollen wir die GAL nicht mit einem griechischen Esel vergleichen, aber zumindest das Aufstampfen erleben politische Beobachter in diesem turbulenten Hamburger Sommer nahezu täglich. Hier gebärdet sich eine Zehn-Prozent-Partei wie der Seniorpartner in der Koalition.
Die CDU müsse nach dem Rücktritt Ole von Beusts ein "verträgliches" Personaltableau vorlegen und Zusagen für "grüne Projekte" machen, heißt es in der GAL. Zitieren wir erneut: "Hybris wird als Ausdruck für Vermessenheit und Selbstüberhebung verwendet, die zu einem schlimmen Ende führen kann." Hybris ist zumindest in Teilen der GAL erkennbar. Sie rührt aus der Position der Stärke her. Die Grünen sind es, die entscheiden, ob die Koalition weiter besteht. Sie sind es, die aus Umfragewerten herauszulesen glauben, es reiche im Fall einer Neuwahl auch für eine Koalition mit der SPD. Sie sind es, die im Wissen, dass die CDU keine Alternative hat und im Fall eines Koalitionsbruchs möglicherweise wieder jahrzehntelang Oppositionsarbeit leisten kann, statt zu gestalten, den politischen Preis in die Höhe treiben. Bei der GAL nennen sie das: die "Bedingungen auszuloten, unter denen ein neuer Aufschlag für das Bündnis möglich ist".
Das erscheint zunächst einmal legitim. Spätestens in eineinhalb Jahren wird gewählt, und die Leistungsbilanz der GAL ist bescheiden. Liegt sie bundesweit derzeit bei 17 Prozent, dümpelt sie in ihrer einstigen Hochburg Hamburg bei gut der Hälfte. Mit Grün in Regierungsverantwortung wurden Moorburg genehmigt, die Elbvertiefung auf den Weg gebracht, die Reform der Schulen in den Sand gesetzt. Mehr grünes Profil ist aus Sicht der GAL dringend nötig. Da bieten sich die Konkretisierung der Stadtbahn, die Einführung der City-Maut oder der Ausbau der Radwege an.
Doch es ist ein schmaler Grad zwischen einer Position der Stärke und einer Hybris. Zumindest die grünen Vordenker sollten wissen, dass sie nicht überziehen dürfen, dass sie die CDU und Christoph Ahlhaus nicht bis zur Unkenntlichkeit des konservativen Profils vorführen können. Sonst droht die Koalition, für die es trotz abhandengekommener Personen noch immer einen gültigen Vertrag gibt, an ihrer Hybris zu scheitern. Mit einem "Schwarzen Peter" bei einer Wahl anzutreten hat aber noch keiner Partei genutzt.