Nach dem Hamburg-Debakel entdeckt die CDU die Bildungspolitik neu.
Der Volksentscheid über die Primarschule hat offenbar Konsequenzen, die weit über die Grenzen der Hansestadt hinausreichen. Sicher: In führenden Berliner CDU-Kreisen hat man schon länger geahnt, dass die deutsche Christdemokratie auf dem besten Wege war, ihren gestalterischen Anspruch in der Bildungspolitik zu verspielen. Immer mehr Kultusministerien in den Ländern wurden zuletzt dem Koalitionspartner überlassen - nicht allein aus machttaktischen Erwägungen heraus wie in Hamburg, wo Schwarz-Grün ja nur unter der Maßgabe entstehen konnte, dass Christa Goetsch in die Schulbehörde einzieht. Sondern auch, weil Bildung in der Partei mehr und mehr als Thema galt, mit dem man kaum etwas gewinnen, aber viel verlieren könne, weshalb man besser die Finger davon ließe.
Anders ausgedrückt: Die CDU wollte es sich bequem machen - und nun trifft es sie besonders hart. Das Desaster von Hamburg hat die Parteispitze elektrisiert. Zeigt es doch, dass der Schaden noch viel größer sein kann, wenn sich die CDU dieser Kernaufgabe entzieht und schulterzuckend dabei zusieht, wie der Koalitionspartner sich an den Gymnasien vergreift, deren Bestandspflege in den vergangenen Jahrzehnten ein Kernanliegen der Partei geworden ist.
Tatsächlich konterkarierte diese Entwicklung sogar das Projekt der Kanzlerin, die sich aufgemacht hatte, Deutschland in eine "Bildungsrepublik" verwandeln zu wollen. Kein Wunder, dass auch Angela Merkel in einer für ihre Verhältnisse geradezu revolutionär kompromisslosen Wortwahl den Ausgang des Volksentscheids begrüßt hat. Die Hamburger Parteifreunde dürfte das ärgern, aber jetzt ist aus Sicht der CDU-Führung Schadensbegrenzung angesagt.
So mag es im Adenauer-Haus auch sinnvoll erscheinen, mittelfristig wieder mehr Kultusministerstühle besetzen zu wollen. Viel wichtiger aber wäre es, das 2006 fatalerweise im Grundgesetz verankerte Verbot der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik wieder rückgängig zu machen und dem Bund im Gegenteil sogar weitere Kompetenzen zu übertragen. Wer das durchsetzt, könnte sich wirklich um den Bildungsstandort Deutschland verdient machen und dem Flickenteppich der konkurrierenden Systeme entgegenwirken. Dazu aber fehlt Annette Schavan und Angela Merkel angesichts des vorhersehbaren Proteststurms aus den Ländern wohl leider der Mut. Bildungspolitik bleibt im föderalistischen Deutschland ein undankbares Geschäft.