Deutschland wird zwei Häftlinge aus dem Lager aufnehmen. Einer der Männer soll in der Hansestadt ein neues Leben führen können.
Hamburg. Jahrelang hat er im Gefangenenlager Guantánamo als mutmaßlicher Al-Qaida-Anhänger und höchstgefährlicher Terrorverdächtiger gesessen. Doch vermutlich schon in wenigen Wochen wird er als freier Mann in Hamburg leben. Ebenso wie in Rheinland-Pfalz sein bisheriger Mithäftling. Ein "Neuanfang in rein privatem Umfeld" für die Männer, das ist das erklärte Ziel von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der gestern die Aufnahme von zwei Guantánamo-Häftlingen ankündigte. Deswegen wollte er auch keine Details zu ihnen nennen. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung handelt es sich bei den beiden Häftlingen um einen 34 Jahre alten Palästinenser und einen ein Jahr älteren Syrer.
Einen Deutschlandbezug, so viel immerhin sagte de Maizière, hätten beide nicht, aber in ihre Heimatländer zurückkehren könnten sie auch nicht. Anders als etwa Bayern, Thüringen, Hessen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin stimmten Hamburg und Rheinland-Pfalz einer Aufnahme der jetzt als ungefährlich geltenden Häftlinge zu.
"Unsere Bedingung war dabei, dass sich Hamburg nicht als einziges Bundesland der Verantwortung stellt und die betreffende Person den eingehenden Sicherheitsprüfungen standhält", sagte Hamburgs Senatspressesprecherin Kristin Breuer. Der Hamburger Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lenders, befürchtet dennoch, dass der Mann nicht unbeobachtet bleiben kann. "Die Hamburger Sicherheitsbehörden werden den Mann gewiss im Auge behalten müssen. Eine zeit- und kostenintensive Aufgabe", sagte er. Er habe sich von Beginn der Diskussion an dagegen ausgesprochen, Guantánamo-Häftlinge "ausgerechnet nach Hamburg" zu holen. "Immerhin hat diese Stadt ja eine Vorgeschichte in Bezug auf den 11. September", sagte Lenders. In Harburg planten die Terrorpiloten um Mohammed Atta ihre Terroranschläge in New York. Uwe Koßel, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), fürchtet, dass Hamburg nur wieder ins Blickfeld von al-Qaida gerät: "Mit der Unterbringung eines der Guantánamo-Häftlinge in Hamburg gerät die Stadt in den Fokus der al-Qaida und könnte so möglicherweise Ziel von Anschlägen werden." Der GdP-Bundesvorsitzende Konrad Freiberg sieht eine moralische Pflicht, die USA bei der Schließung von Guantánamo zu unterstützen. "Nach der gründlichen Prüfung durch den Bundesinnenminister müssen wir davon ausgehen, dass von den Männern keine Gefahr ausgeht", sagte er.
Hamburgs SPD-Innenexperte Andreas Dressel verlangt von Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) Aufklärung über den Fall. "Man kann nicht in Sonntagsreden Guantánamo geißeln und sich werktags verweigern, diesem Spuk ein Ende zu bereiten. Insofern ist es in Ordnung, wenn Hamburg hier einen Beitrag leistet", sagte er. "Voraussetzung muss jedoch sein, dass die Sicherheit unserer Stadt in keiner Weise gefährdet wird. Hier ist der Innensenator in der Pflicht , das der Öffentlichkeit transparent nachzuweisen."
Angst um ihre Sicherheit haben letztlich alle Aufnahmeländer. In den USA selbst ist es vor allem schwierig. De Maizière betonte gestern denn auch, dass sich vor allem die USA selbst um eine Lösung des Guantánamo-Problems kümmern und die Gefangenen aufnehmen müssen. "Die USA erlauben nur dann einer Person die Einreise nicht, wenn die Sicherheit der USA gefährdet ist", stellt er fest. Noch immer sitzen 180 Gefangene in dem Lager. Laut Pentagon sind seit 2002 schon 600 Inhaftierte von anderen Ländern aufgenommen worden. In den meisten Fällen ging es um eigene Staatsbürger, die in Guantánamo gefangen waren - so kehrten allein neun Insassen mit britischer Staatsbürgerschaft nach Großbritannien zurück. Auch Deutschland ließ 2006 den Deutsch-Türken Murat Kurnaz aus Bremen wieder einreisen. Mehr als 30 Gefangene wurden aber in fremde Gastländer gebracht, weil die Rückkehr in ihre Heimat nicht möglich war.
Dies gilt in der Regel, wenn dort politische oder religiöse Verfolgung droht. So nahm Pazifik-Staat Palau sechs muslimische Uiguren aus China auf, die britische Kolonie Bermuda im Atlantik bot vier weiteren eine neue Heimat. Die meisten Entlassenen kehrten nach Afghanistan (199), Saudi-Arabien (120), Pakistan (63) und in den Jemen (21) zurück. Aus diesen Ländern stammten die meisten Guantánamo-Insassen.