Der Chiphersteller NXP in Lokstedt übernimmt Leiharbeiter. Innovationen für das Auto der Zukunft sollen aus der Hansestadt kommen.
Hamburg. Die Produktionsräume des Chipherstellers NXP wirken ein wenig wie Weltraumkapseln. Sie sind nur durch mehrere Hygieneschleusen zugänglich, und wer hier arbeitet, ist von Kopf bis Fuß in Schutzkleidung eingehüllt. Schon ein Staubkorn kann die winzigen Chips unbrauchbar machen, deshalb findet die Produktion in den sogenannten Reinräumen statt.
Die kleinen Schaltverbindungen aus der Fabrik in Lokstedt sind weltweit gefragt, davon profitieren jetzt auch die Mitarbeiter. "Wir haben 40 Leiharbeiter zum 1. April fest übernommen", sagt Kurt Sievers, Konzernvorstand der Autosparte sowie Geschäftsführer der NXP Semiconductors Germany GmbH. "Wir schätzen den Markt positiv bis sehr positiv ein", begründet Sievers den Ausbau des Personalbestands in Hamburg, wo NXP bisher 1850 Mitarbeiter beschäftigt, davon 250 Leiharbeiter. Weltweit arbeiten bei dem Unternehmen mit Sitz im niederländischen Eindhoven rund 25 000 Beschäftigte.
NXP ist die frühere Halbleitersparte des niederländischen Elektronikkonzerns Philips, der das Geschäftsfeld im Jahr 2006 mehrheitlich an eine Gruppe von Investmentgesellschaften verkauft hatte. Heute konkurriert das inzwischen börsennotierte Unternehmen mit Wettbewerbern wie Infineon, aber auch mit immer mehr asiatischen Firmen, die Chips meist günstiger herstellen können. Andererseits ist NXP, der nach eigenen Angaben drittgrößte Halbleiterhersteller in Europa, in einigen Feldern Innovationsführer.
Die Hamburger Beschäftigten bilden ein wichtiges Herzstück des Konzerns. Auf einem gut 15 000 Quadratmeter großen Firmengelände in Lokstedt entwickeln und produzieren hoch qualifizierte Ingenieure, Physiker und Facharbeiter Halbleiter für verschiedene Anwendungen, immerhin 70 Milliarden Stück im Jahr. "Unsere Produkte sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken", sagt Sievers. In Autoschlüsseln, Handys oder auch Computern sind NXP-Produkte aus der Hansestadt zu finden. NXP beliefert alle großen Produzenten in der Computer-, Unterhaltungs-, Automobil- und Kommunikationselektronik. "Es gibt kein einziges iPad auf der Welt, in dem nicht Halbleiter von uns aus Hamburg eingebaut sind", sagt Sievers. Die Schaltsysteme haben durch die rasante Verbreitung von Smartphones großes Wachstumspotenzial. Auch beim elektronischen Personalausweis hat NXP die Nase vorn: Das Unternehmen hat als erster Lieferant den Auftrag für die Chips vom Bundesinnenministerium erhalten.
+++ Von Radioröhren zu Halbleitern +++
Ein vielversprechendes Geschäftsfeld für die Hamburger NXP, die zuletzt 450 Millionen Euro erlöste, bietet auch die Kommunikation in Fahrzeugen: Autos können Signale über ihren Standort geben, die Suche in Parkhäusern kann so bald der Vergangenheit angehören. Fahrzeuge können aber auch miteinander kommunizieren, um Unfälle und Staus zu vermeiden. Intelligente Verkehrssteuerung etwa durch Ampeln, die sich auf die jeweilige Situation einstellen, gehört in Städten wie Singapur bereits zum Leben in der Metropole dazu.
"Auch wir denken über Verkehrsmanagementsysteme nach", sagt der Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, Bernd Egert, während eines Besuchs bei NXP. Ein solcher Start in ein neues Zeitalter im Straßenverkehr Hamburgs sei bereits für 2013 denkbar. Damit wären für NXP ein Nachfrageschub und ein Imagegewinn verbunden, denn bisher statten die Hamburger nur Verkehrsprojekte im Ausland wie in Singapur aus. Ein Leuchtturmprojekt in der Hansestadt könnte mit weiteren Aufträgen in der Verkehrsleittechnik verbunden werden und wäre eine Bestätigung für das Sicherheitsentwicklungsteam von NXP, welches ebenfalls in Hamburg sitzt.
Mit Innovationen auf sich aufmerksam zu machen ist insbesondere im Hochtechnologiemarkt mit immer mehr Wettbewerbern überlebenswichtig. Schließlich bekommt NXP im großen Markt der Autohersteller nun auch Konkurrenz von Intel. Der US-Chipkonzern drängt mit aller Macht in diesen Bereich. "Wir haben das Ziel, zu einem Hauptlieferanten für Infotainmenttechnik in der Autoindustrie zu werden", sagte Spartenchef Ton Steenman im Vorfeld der Eröffnung des neuen Autochipentwicklungszentrums in Karlsruhe. Bislang sind Intel-Chips nur in kleinem Rahmen in den Armaturenbrettern von Autos vertreten. So bestehen Kooperationen mit BMW und Daimler. Die Halbleiter der Amerikaner galten bisher als ungeeignet für den Einsatz im Auto. Die großen Temperaturschwankungen setzten ihnen ebenso zu wie Stöße. Nun wagen sich die Amerikaner aber doch im großen Stil ins Rennen mit etablierten Autoelektronikherstellern wie Infineon, Bosch, Renesas, Texas Instruments und eben NXP. Bei den Hamburgern reagiert man eher gelassen auf den Vorstoß von Intel: "Das ist eine Bestätigung für die Attraktivität des Automarkts", sagt Sievers. Der Markt für Halbleiter in dieser Branche sei mit 24 Milliarden Dollar sehr groß, zudem stelle Intel eher Prozessoren her und bedränge NXP daher nicht in seinem Kerngeschäft.