Archäologen des Helms-Museums graben auf der Schlossinsel nach Überresten aus dem 12. Jahrhundert. Sie haben dafür zwei Jahre Zeit.
Harburg. Auf der Schlossinsel, dort, wo im Binnenhafengebiet Harburgs moderne Hafencity entsteht, wird nicht nur für die Zukunft gebaut, sondern auch in der Vergangenheit gegraben. "Hier befindet sich die Keimzelle Harburgs", sagt Rainer-Maria Weiss, Direktor des Archäologischen Museums Hamburg mit Sitz in Harburg.
Sein Team begibt sich auf dem Areal von zwei Baufeldern entlang der Schlossstraße auf Spurensuche zu den ersten Siedlungen im Hamburger Süden. Die Gegend gilt als Eldorado für Archäologen und Historiker. Bereits 1133 wurde das Harburger Schloss, damals eine Burg, in Urkunden erwähnt. Von hier aus wurden die Marschen besiedelt. "An der Schlossstraße, jenseits des alten Burgwalls, siedelten sich Handwerker und Kleinbauern an. Hier liegt ein spannendes Geschichtsbuch unter der Erde", sagt Weiss und deutet auf ein Stück Lehmboden und Reste von Mauersteinen.
Grabungsleiter Philip Lüth hat mit einigen Arbeitern Fundamentreste eines Fachwerkhauses aus dem 18. Jahrhundert freigelegt. "Das ist erst der Anfang. Gehen wir tiefer, erhoffen wir uns, Spuren der ersten Besiedelung aus dem zwölften Jahrhundert zu finden. So, wie es uns hier in der Nähe vor einigen Jahren schon mal gelungen ist", so Weiss. Dass sich die Wissenschaftler Schicht um Schicht zu den Zeugnissen vergangener Epochen durchgraben können, "ist in Hamburg einmalig", sagt der Museumsdirektor. Und sei von der wissenschaftlichen Bedeutung ebenso wichtig wie die Ausgrabungen im Hamburger Domviertel in der Innenstadt.
In einem Baucontainer sichern Grabungsingenieur Jan Geidner und Archäologie-Studentin Ilka Lavaetz erste Funde: "Wir sind auf viele Scherben aus dem 18. und 19. Jahrhundert gestoßen, auf Reste von Tonpfeifen, Tonmurmeln und blaue Schmuckperlen aus Glas", sagt Lavaetz. Sogar Fragmente einer alten Wasserleitung aus Holz zeigen sich im Boden. Weiss hofft, dass sein Team im hinteren Bereich des Baugrunds noch alte Latrinengruben erforschen kann. "Für Archäologen ist es das Allerschönste, denn sie bilden das echte Leben von anno dazumal ab."
Zwei Jahre hat der Museumsdirektor Zeit, Harburgs historische Schätze zu heben. Dann wird wieder zugeschüttet und gebaut. Und wenn es nach dem Willen der Politik geht, sollen die Erkenntnisse und Funde der Archäologen der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht werden. Auch touristisch möchte man Harburgs Relikte aus der Vergangenheit nutzen, denn der Stadtteil soll nicht mehr als Schmuddelquartier wahrgenommen werden. "Das Archäologische Museum hat seit Kurzem eine Außenstelle am Speersort. Dort können Besucher die Überreste des Bischofsturms am Originalschauplatz besichtigen", sagt Jutta Lindberg, kulturpolitische Sprecherin der FDP Harburg. Und was jenseits der Elbe als Besuchermagnet gilt, wünschten sich die Liberalen ebenfalls für Harburg. Bislang weist nur ein kleiner Schaukasten auf Harburgs Keimzelle hin. Im Schulterschluss mit der SPD-Mehrheitsfraktion in der Bezirksversammlung sollen nun Kulturbehörde, Museumsleitung und Verwaltung prüfen, inwieweit sich die Harburger Funde ähnlich schick wie jene am Speersort präsentieren lassen. "Das könnte im Harburger Schloss geschehen oder aber in einem anderen historisch interessanten Gebäude", sagt der SPD-Bezirksversammlungsabgeordnete Heinz Beeken. Auch Rainer-Maria Weiss ist von dieser Idee angetan, kann doch sein Museum in Hamburg weitere Präsenz zeigen. So betreut das Archäologische Museum nicht nur den Bischofsturm in der City, sondern auch einen archäologischen Wanderpfad in der Fischbeker Heide und die Fundstelle rund um den in den 1960er-Jahren ausgegrabenen Germanenbrunnen in Farmsen. "Archäologie ist im Kommen", sagt er. Auch in Harburg.