Bei einer Abschiebung sollte Hamburg den Spielraum nutzen
Die Zuweisung von Schülern an bestimmte Standorte, der Abstand zwischen neu gebauten Häusern, die Bewilligung von Geldern zur Lebenshilfe: Tag für Tag müssen die Mitarbeiter in Hamburger Ämtern und Institutionen Entscheidungen treffen. Dabei greifen sie oft nachhaltig und unmittelbar in das Schicksal von Menschen ein. Sie können und müssen sich dabei auf eine Flut von Bestimmungen und Gesetzen stützen. So soll sichergestellt werden, dass am Ende dem Rechtsstaat Genüge getan wird. Ob dabei Recht immer Gerechtigkeit bedeutet, ist eine andere Frage.
So wurde im Fall Sarkissian - der Familie, der die Abschiebung nach Armenien droht - auf dem Papier korrekt entschieden. Hamburg kann der Mutter und ihren beiden Töchtern, für die die Hansestadt längst ein Zuhause und die Zukunft bedeutet, nicht einfach grünes Licht für einen uneingeschränkten Aufenthalt geben. Das wurde auch gestern im Eingabeausschuss der Bürgerschaft klar. Durch einen unglücklichen Schachzug ihres Anwalts ist offiziell Nordrhein-Westfalen derzeit für die Sarkissians zuständig, und Asylrecht ist kein Wunschkonzert. In den Angaben zu ihrer Identität hat die Familie zudem nicht immer mit offenen Karten gespielt. Doch es zeigte sich gestern auch: Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern es gibt auch Grau - nämlich besondere Umstände, die Behördenmitarbeiter dazu bewegen sollten, ihren Ermessensspielraum zu nutzen. Im Fall Sarkissian ist es der Wille zur Integration, die Schulbildung der Mädchen. Sie haben zum Glück Freunde, die für sie eintreten, und auch die nötige Öffentlichkeit.
Doch wer keine medienwirksame Unterstützung hat, durch Krankheit zermürbt ist oder Geldnöte hat, gerät in Gefahr, in solchen Situationen zerrieben zu werden und aufzugeben. In diesen Momenten sind Behördenmitarbeiter gefragt, die ihren Mut und ihre Flexibilität dafür einsetzen, dass am Ende die Menschlichkeit siegt. Und nicht die Loseblattsammlung.
Im Fall Sarkissian scheint Hamburg auf einem guten Weg zu sein.