In Sachen Sauberkeit und Vorplatz-Atmosphäre könnte der Flughafen als Vorbild dienen
Man kann eine Stadt nach der Schönheit ihrer Bauten, ihrer natürlichen Lage oder anderen Sehenswürdigkeiten beurteilen. Das Ergebnis für Hamburg fällt nach Einschätzung der meisten Einwohner bekanntlich ausgesprochen positiv aus. Man kann zum Maßstab einer Bewertung aber auch machen, wie sich eine Stadt den Besuchern auf ihren Bahnhöfen präsentiert.
Viele Hamburger, die Gäste begrüßen, schämen sich für den Zustand, in dem sich der Hauptbahnhof und sein unmittelbares Umfeld seit Jahren präsentieren. Und die Hunderttausenden, die täglich den Verkehrsknotenpunkt passieren müssen, sind im wahrsten Sinn des Wortes stinksauer über den Uringeruch und andere Ausdünstungen in bestimmten Ecken, um nur ein Beispiel für berechtigte Kritik zu nennen. Es tröstet auch nicht, dass es schon einmal viel schlimmer war.
Funktionsfähigkeit und Sauberkeit eines Hauptbahnhofs zu gewährleisten ist eine besondere Herausforderung für eine Stadtverwaltung und die Bahn als Eigentümerin. Wer wollte das bestreiten. Zentrale Bahnhöfe ziehen Menschen an, die keine Perspektive haben: Bettler, Alkoholiker und von anderen Drogen Abhängige. Vor dem Elend der Benachteiligten in einer Metropole wie Hamburg die Augen verschließen zu wollen wäre blind und insofern verantwortungslos. Die Belästigungen, Einschränkungen und Ängste, die diese Gruppen bei Passanten auslösen können, zu ignorieren, wäre töricht.
Es kann nicht darum gehen, Bettler und Alkoholiker mit eiserner Hand vom Areal zu vertreiben und dann sich selbst zu überlassen. Es muss darum gehen, eine Gesamtstrategie zu entwickeln, die Reisenden eine möglichst uneingeschränkte Passage ermöglicht und menschenwürdige Lösungen für alle anderen aufzeigt.
Deshalb war der runde Tisch, an dem das zuständige Bezirksamt Mitte, die Bahn, Polizei und soziale Einrichtungen saßen, eine gute Idee. Seit dem Rücktritt von Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) liegen die Bemühungen auf Eis. Sein Nachfolger muss diesen Faden dringend wieder aufnehmen. Schreibers Vorschlag, einen geschlossenen Trinkerraum nach dem Vorbild Kiels einzurichten, ist bedenkenswert. Beim Thema Sauberkeit sollte jedes Kompetenzgerangel zwischen Behörden und anderen Institutionen schnell ein Ende haben. Wenn die Bahn bereit ist, den besonders problematischen Vorplatz auf der Kirchenallee-Seite in ihre Regie zu übernehmen - warum nicht? Es wäre ein lohnendes (Fern-)Ziel, sich den Flughafen in puncto Reinlichkeit zum Vorbild zu nehmen. Dort funktioniert es ja schließlich auch.
Zu einer realistischen Betrachtungsweise gehört gleichwohl, dass ein Idealzustand bei Sicherheit und Ordnung auf großen Bahnhöfen kaum zu erreichen ist. Es geht in Wahrheit also um beständige Optimierung, um das schnelle Erkennen neuer Problemlagen und deren Lösung.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Hauptbahnhof so gesehen kein Ruhmesblatt für die Politik ist. Die Berichte über Tendenzen zu Verschmutzung und Verwahrlosung ziehen sich durch die vergangenen zwei, drei Jahrzehnte. Ende der 90er-Jahre, als sich rund um den Hauptbahnhof eine offene Drogenszene manifestiert hatte, wurden die Zustände dort sogar zum Wahlkampfthema und von vielen Bürgern als Beleg für das Versagen der damaligen SPD-Senate genommen.
Bekanntlich wurden die Junkies nach dem Regierungswechsel zu Zeiten des Innensenators Ronald Schill aus der Innenstadt und in andere, weniger sichtbare Gebiete verdrängt. Nun wäre es ein Fehler, die heutigen Probleme rund um den Hauptbahnhof mit der einst massiven Drogenszene auf eine Stufe zu stellen. Dennoch: Nach ihren bitteren Erfahrungen um die Jahrtausendwende sollte die nun allein regierende SPD gewarnt sein.