Ein Kommentar von Christian-A. Thiel
Wer war noch Jan Ullrich? Vor fast sechs Jahren hat Deutschlands einstiges Radsport-Idol sein letztes Rennen bestritten. Seither rangen Verbände, Dopingfahnder und Anwälte um einen Nachweis der Verstrickung des Tour-de-France-Siegers in die Mittel des unlauteren Wettbewerbs. Der Einzige, der zur Aufklärung nicht beitrug, war Ullrich selbst.
Nun endlich, viel zu spät, haben die unabhängigen Richter des Internationalen Sportgerichtshofs in Lausanne das Puzzle aus Beweisen, Dokumenten und Indizien zu einem schlüssigen Gesamtbild zusammengesetzt, dessen Bewertung nicht mehr überrascht: (Auch) Jan Ullrich hat also gedopt. Zumindest seit 2005 gilt er als überführter Sportbetrüger. Was vorher war, verschwindet im Nebel des Ungewissen.
Die Urteile gegen Ullrich und den Spanier Alberto Contador drei Tage zuvor zeigen zweierlei: Unabhängige Richter schrecken auch vor großen Namen nicht zurück. Aber, zweitens, ist es bedauerlich, dass sich der Radsport nicht selbst helfen kann und das Schweizer Gremium als letzte Instanz Recht sprechen muss. Solange es keine einheitliche Sportrechtsprechung gibt, solange der Weltverband seine gefallenen Stars schützt und die Einstellung des Verfahrens gegen den umstrittenen Radsport-Paten Lance Armstrong sogar noch feiert, wird die dopingverseuchte Sportart ihren Sumpf nicht trockenlegen.
Jan Ullrich kann immer noch seinen Teil dazu beitragen. Auch im Sport zählt der ehrliche Sünder mehr als der uneinsichtige Leugner.