Die Pläne für eine neue Verkehrssünderdatei bergen ein großes Sicherheitsrisiko
Was läuft, das läuft. So sagt es der Volksmund gern - nicht nur in Norddeutschland. Das bedeutet konkret: Wenn ein System erst einmal funktioniert, dann lass es, wie es ist. Also nicht daran herumschrauben, nicht weiter verändern. Auch bei der Flensburger Verkehrssünderdatei wäre es besser gewesen, sich an dieses Prinzip zu halten.
Ohne große Not hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) jetzt verkündet, das Punktesystem zu reformieren. Nicht mehr bei 18, sondern bei acht Punkten soll der Führerschein entzogen werden, dafür werden die einzelnen Verstöße geringer bewertet. Nur noch ein oder zwei Punkte werden pro Delikt vergeben. Noch wichtiger sind aber die neuen Verjährungsfristen: Jeder Punkt bekommt ein eigenes klares Verfallsdatum. Bisher verlängert sich das gesamte Punktekonto um zwei Jahre, wenn ein neues Vergehen hinzukommt.
Ramsauer beruft sich bei diesem Vorhaben vor allem auf mehr Transparenz und Übersichtlichkeit für den Autofahrer. Und auch wenn acht Punkte sicherlich leichter im Kopf aufzuaddieren sind als 18 Punkte, darf bezweifelt werden, ob die Änderung der Punktekartei in dieser Form wirklich notwendig ist. Seit fast 40 Jahren hat sich das bisherige System bewährt. Und wer wissen will, welchen Stand das eigene Punktekonto aufzeigt, kann beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg nachfragen oder selbst eine Tabelle zurate ziehen. Der Aufwand ist durchaus vertretbar.
Es sieht also sehr danach aus, dass die Bundesregierung in Zeiten winterbedingter Bahnprobleme und maroder Straßen, die nach dem aktuellen Kälteeinbruch mit neuen Schlaglöchern gespickt sein werden, jetzt auf eine kleine Erfolgsgeschichte setzen will und sich ein Trostpflaster gönnt.
Denn die Punkte-Reform ist Teil des Koalitionsvertrags von Union und FDP, und die Zahl der Vorhaben, die in der bisherigen Legislaturperiode reibungslos abgearbeitet worden sind, ist bekanntermaßen begrenzt. So wird der Bundesrat zum Beispiel heute die mühsam erstrittene Steuerreform kippen. Ein guter Zeitpunkt, um die rund 40 Millionen Autofahrer in der Bundesrepublik mit dem neuen System zu beglücken. Dass die Neuerungen in Flensburg auch eine höhere Bestrafung für notorische Verkehrssünder vorsieht, ist dabei immerhin ein richtiger und wichtiger Aspekt.
Doch alles in allem kommt die Erhöhung der Sicherheit in den Plänen zu kurz - dabei muss es genau darum gehen, wenn die Sanktionierungs-Mechanismen für risikofreudige oder nachlässige Autofahrer verändert werden. Immerhin kommen bei uns jedes Jahr rund 4000 Menschen durch Verkehrsunfälle ums Leben. Ein höheres Bußgeld ist deshalb schön und gut, aber letztendlich entfaltet es erst durch genügend Kontrollen seine Wirkung. Die Polizei klagt allerdings nicht erst seit gestern über ihre ausgedünnte Personaldecke.
Das wesentliche Manko trägt die Reform jedoch in ihrem Herzstück. Weil jeder Punkt - je nach Schwere der Tat - nach ein oder zwei Jahren verfällt und nicht mehr der gesamte Punktestand bei neuen Delikten automatisch verlängert wird, haben es Raser künftig leichter. Sie müssen nur eine Zeit lang warten, bis sie sich den Bleifuß wieder erlauben können. Wenn hier nicht nachgebessert wird, bis die Reform 2013 in Kraft tritt, wäre das ein verheerendes Signal. Eine Vereinfachung der Punkte darf nicht auf Kosten der Sicherheit geschehen. In dem Fall wäre es besser gewesen, einfach alles so zu lassen, wie es ist.