Erster Punktsieg für den Baukonzern. Neutrales Gutachten stellt Planungsfehler fest
Hamburg. Es geht um Hunderte von Rissen in der 660 000 Euro teuren Wandverkleidung der 85 Meter langen Rolltreppe in der Elbphilharmonie - und beispielhaft um die Frage, wer für die Bauverzögerungen und die Kostensteigerungen in Hamburgs künftigem Wahrzeichen verantwortlich ist.
Erstmals hat das Landgericht Hamburg unter Bezug auf ein neutrales Gutachten festgestellt, dass ein Mangel zu 90 Prozent durch einen Planungsfehler verursacht worden ist. Der Streit um die Risse in der Rolltreppen-Röhre hatte sich zwei Jahre hingezogen. Die Löcher im Putz waren sofort nach Fertigstellung der aufwendigen Verkleidung im Dezember 2009 aufgetaucht. Während die städtische Realisierungsgesellschaft ReGe den Baukonzern Hochtief immer wieder aufforderte, den Mangel zu beseitigen, und schließlich 1,2 Millionen Euro einbehielt, um den Druck zu erhöhen, bestritt Hochtief von Anfang an, dass es sich bei den Rissen um einen Ausführungsmangel handele.
Im Februar 2011 strengte das Unternehmen ein Beweissicherungsverfahren an: So sollte gerichtlich geklärt werden, ob es ein Fehler der Generalplaner, der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron, oder ein Ausführungsfehler des eigenen Nachunternehmers sei. Das Gutachten, das dem Abendblatt vorliegt, gibt dem Konzern weitgehend recht. "Das Ergebnis des Gutachters bestätigt unsere These, dass eine hoch qualifizierte Ausführung eine baubare Planung voraussetzt", sagte Thomas Möller, Chef der Hamburger Hochtief-Niederlassung, dem Abendblatt. Bei der Stadt ist das Gerichtsschreiben vom 13. Januar anscheinend noch nicht eingegangen. "Uns ist das Gutachten noch nicht zugestellt worden, deshalb können wir keine detaillierte Aussage treffen", sagte Karl Olaf Petters, für die Elbphilharmonie zuständiger Pressesprecher der Kulturbehörde. Fraglich ist, wie der Schaden behoben werden kann. Möglicherweise muss bei einer Kompletterneuerung des Putzes die bereits eingebaute Rolltreppe, die sogenannte Tube, wieder ausgebaut werden.
Die Probleme mit der Verkleidung sind symptomatisch für die Baustelle, auf der die Arbeiten seit Monaten weitgehend ruhen. Seit Oktober 2011 weigert sich Hochtief etwa, wegen Sicherheitsbedenken das Dach des Großen Konzertsaals abzusenken. Auch hier deutet alles auf eine langwierige gerichtliche Klärung hin. Da Hochtief im September 2011 die komplette Ausführungsplanung der technischen Gebäudeausrüstung (Elektrik, Lüftung, Brandschutz) eingestellt hat, droht die Stadt nach Abendblatt-Informationen damit, dem Konzern diesen Arbeitsbereich vollständig zu entziehen.
Szenarien, wonach der Essener Baukonzern sich aus dem Projekt komplett zurückziehen könnte, werden bislang dementiert. "Wir bauen die Elbphilharmonie zu Ende", sagte Hochtief-Chef Frank Stieler der "Rheinischen Post". Ursache der Kostenexplosion seien die ständigen Nachplanungen und Zusatzwünsche der Architekten und des städtischen Bauherrn. In Zukunft aber, so Stieler, "werden wir uns nicht wieder auf komplexe Projekte mit der öffentlichen Hand einlassen, die beim Baustart noch nicht fertig geplant sind".